Verleumdung und Missgunst, Wahn und Hass:
Das Wesen des Antisemitismus
Zu
R.N. Coudenhove-Kalergis 1935 in Wien und Zürich
herausgegebenem "Judenhass von heute" und "Das Wesen des Antisemitimus".
Selbstverständlich stellen wir in unserer Reihe bedeutender Werke
gegen den Antisemitismus nicht nur Werke jüdischer Autoren vor, denn es
ist klar, dass alle Autoren und Herausgeber die sich dieser Aufgabe mit
Kenntnis, Sensibilität, und Anstand, wie auch mit Phantasie und
Leidenschaft annahmen, in ein und derselben ehrenwerten Reihe stehen...
Dies gilt in hervorragender Weise für das 1935 von R.N.
Coudenhove-Kalergi herausgegebe Werk, welches sehr eindrucksvoll die
Aktualität nicht nur des Problems, sondern auch der Aufklärung belegt.
Das Buch besteht aus zwei Büchern. Der erste Teil bringt den Leser auf
den neuesten Stand und beschreibt die Wiederkehr des Judenhasses in den
zwanziger Jahren. Er weist nach, dass der Antisemitismus nicht nur eine
wahnhafte sondern auch eine genau kalkulierte Projektion auf allen
politischen Fortschritt ist. Zu berücksichtigen ist stets, dass
Coudenhove von der Lage 1935 ausgeht, von der geplanten "Endlösung" also
noch nichts weiß.
Der zweite Teil erschien schon 1901 unter dem Titel "Das Wesen des
Antisemitismus" und stammt von Graf Heinrich Coudenhove, dem Vater
des Herausgebers.
Heinrich Coudenhove dachte, so berichtet er selbst, in seiner Jugend
selbst antisemitisch. Irgendwann befasst er sich jedoch mit einem
seriösen Gutachten zum Tod Jesus. Die wohl folgenschwerste
antisemitische Lüge behauptet, die Juden hätten Jesus getötet. Als er
erfährt, dass dies keinesfalls den Tatsachen entspricht, bezweifelt er
auch weitere Anschuldigungen gegenüber den Juden und beginnt
systematisch nachzuforschen. Er erkennt den Antisemitismus als ein von
frühester Wurzel an auf Verleumdung und Missgunst, Wahn und Hass
aufbauendes Gespinst ungeheuerer Denunziation. Schließlich nimmt er
diese von der katholischen Kirche bereits in der Gründerzeit in die Welt
gesetzte Lehre der Verachtung, so
Norman Solomon, auseinander, durchleuchtet und dekonstruiert
sie.
R.N. Coudenhove-Kalergi meint, in der gesamten einschlägigen Literatur
sei kein Werk erschienen, "das dieses an Kenntnis der Tatsachen und
Redlichkeit der Gesinnung übertrifft. Weil es das Wesen des
Antisemitismus und dessen historische Entwicklung in Europa, Asien,
Amerika und Afrika übersichtlich und vollständig darstellt und erklärt:
von der vorchristlichen Zeit bis zur Schwelle des zwanzigsten
Jahrhundert".
So sind "beide Teile dieser Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus
von heute und gestern für alle bestimmt, die in der Judenfrage Wahrheit
von Lüge scheiden wollen; für alle, die Willens sind, ihr Wissen über
diese Frage zu mehren und ihre Ansichten über sie zu klären; für alle,
die entschlossen sind, klar zu sehen - um rein zu handeln".
In Deutschland konnte das Buch 1935 nicht mehr erscheinen, so erschien
es zeitgleich in Zürich und Wien. Gleich zu Beginn beschreibt er einen
Missstand, der auch auf die heutige Auseinandersetzung mit diesem immer
noch und immer wieder aktuellen Problem erinnert: kosmetische
Schaumschlägerei.
Auch Constantin Brunner kritisierte viele der Anti-Antisemitischen
Ansätze als gutgemeint, doch schlecht getan. Bei Coudenhove-Kalergi ist
im Jahre 1935 die Dringlichkeit natürlich eine ganz andere als heute
oder noch zu Brunners Zeit. Er schreibt, seit den Wahlerfolgen der Nazis
habe sich endlich "die ganze Weltöffentlichkeit der Judenfrage
bemächtigt", leider jedoch "mit mehr Leidenschaft als Sachkenntnis, mit
mehr Phantasie als Wahrhaftigkeit". Das erinnert doch sehr an den
Aktionismus z.B. beim heutigen "Aufstand
der Anständigen", nur dass diesen "Anständigen" nicht nur
Sachkenntnis und Wahrhaftigkeit fehlen, auch an Leidenschaft und
Phantasie mangelt es hier.
Aus dem Vorwort zum 1935
erschienenen
"Judenhass von heute" von R.N. Coudenhove-Kalergi:
"Judenhass von heute"
Seit der Machtergreifung des Nationalsozialismus ist die
Judenfrage in den Brennpunkt des Weltgeschehens gerückt. Denn die
Zukunft des Nationalsozialismus ist die Schicksalsfrage Europas; und der
Rassenantisemitismus das Kernstück nationalsozialistischer
Weltanschauung.
I. Antisemitismus nach dem Weltkrieg
Auszüge aus dem 1935 im Paneuropa-Verlag in Wien und
Zürich erschienenen Buch "Judenhass von heute" von R.N.
Coudenhove-Kalergi. Wenn hier vom Weltkrieg die Rede ist, ist also der
I. Weltkrieg gemeint.
Teil 1.:
Die neue antisemitische Flut
Das neunzehnte Jahrhundert, beherrscht von den Ideen
der Aufklärung und der Französischen Revolution, brachte einen
wesentlichen Rückgang des Antisemitismus, gemessen an früheren
Jahrhunderten...
Teil 2.:
Westwanderung der Ostjuden
Die Massenwanderung russischer und polnischer Juden
nach Amerika und Mitteleuropa hat im zwanzigsten Jahrhundert den
Antisemitismus in den Vereinigten Staaten entzündet und in
Mitteleuropa verstärkt...
Teil 3.:
Bolschewismus und Antisemitismus
Der Sieg des Bolschewismus in Russland und
sein Versuch, Europa zu erobern, hat dem Antisemitismus neue
Argumente von größter Schlagkraft gegeben. Denn sowohl unter den
Führern des russischen Bolschewismus als auch unter den Vorkämpfern
des Kommunismus in Europa war die Zahl der Juden verhältnismäßig
groß. Dies gilt vor allem auch von den Führern der Räteregierungen
in Ungarn und Bayern...
Teil 4.:
Die Verarmung Mitteleuropas
Die Verarmung Mitteleuropas durch Krieg und Inflation
gab dem Antisemitismus neue und starke Impulse. Denn in diesen
übervölkerten Gebieten ist der Neid eine Großmacht; eine der
stärksten Quellen politischen und privaten Hasses. Dieser Neid
wächst mit der allgemeinen Verarmung und der Bereicherung weniger...
Teil 5.:
Nationalismus und Antisemitismus
Das Anschwellen des europäischen Nationalismus vor,
während und nach dem Weltkrieg trug wesentlich zur Verschärfung des
Antisemitismus bei. Durch den Weltkrieg wurde der Nationalismus zur
herrschenden Geistesrichtung in Europa. Jahre hindurch haben
politische und geistige Führer der europäischen Nationen die
Überlegenheit der eigenen Nation verkündet...
Teil 6.:
Christentum und Antisemitismus
Neben dem lauten Antisemitismus der Nationalisten hat
sich auch in unseren Tagen der stille Antisemitismus der Christen
erhalten. Dieser Antisemitismus ist augenblicklich weniger sichtbar,
weil hervorragende Vertreter der christlichen Weltanschauung sich
gegen den heidnischen Rassenantisemitismus kehren und damit als
Gegner des Antisemitismus erscheinen. In Wahrheit richtet sich ihr
Kampf nicht gegen den Antisemitismus schlechthin, sondern gegen den
Antisemitismus der Neuheiden, der zugleich die christliche
Weltanschauung bedroht...
Teil 7.:
Neuheidnischer Antisemitismus
Der christliche Antisemitismus fordert
Assimilation: allmähliche Bekehrung aller Juden zum Christentum. Der
Rassenantisemitismus lehnt die Assimilation ab: denn er will die
Trennung zwischen Juden und Nicht-Juden nicht verwischen, sondern
verstärken. Darum kritisiert er die Möglichkeit der Judentaufe und
versucht die getauften Juden und ihre Nachkommen in die jüdische
Gemeinschaft zurückzustoßen. Und darum ist ihm die jüdische Religion
eine willkommene Scheidewand zwischen Juden und Nicht-Juden...
II. Neue Anklagen
Durch den Sieg des Nationalsozialismus sind eine Reihe
antisemitischer Thesen, die bis dahin nur von einigen Rassentheoretikern
verfochten wurden, in die Massen gedrungen.
- Teil 1.:
Der Rassenmythos
Grundthese dieses Rassenmythos ist, dass die
blonde nordeuropäische Rasse biologisch, moralisch und geistig allen
anderen Rassen der Welt überlegen ist; dass sie allein
kulturschöpferisch ist und dass nur sie Genies hervorbringt. Dass in
allen Teilen der Welt, in denen Grosses geleistet wurde, dies dem
arischen Bluteinschlag zu danken war. Dass die Kulturen, in denen
sich dieses arische Blut mit anderem Blut vermischt, verfallen und
zugrunde gehen...
- Teil 2.:
Die Protokolle der Weisen von Zion
Verleumdung und üble Nachrede haben in der
Geschichte des Antisemitismus stets eine überragende Rolle
gespielt...
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