[Das
Wesen des Antisemitismus]
Von Graf Heinrich Coudenhove-Kalergi (1859,
Wien - 1906, Poběžovice)
Zweites Kapitel:
Antijudaismus im Altertum
pp 142 in der 1.Auflage von R.N. Coudenhove-Kalergis
1935 herausgegebenem Buch "Judenhass - Antisemitismus".
7. Römer und Juden
Die Urteile der griechischen und römischen
Literatur über die Juden sind, wie gesagt, sehr absprechend und zeugen
von großer Verachtung gegen dieses Volk. Die Gebildeten erblickten in
der jüdischen Religion einen barbarischen Aberglauben. Man verbreitete
über die Juden sowie über ihre Geschichte die lächerlichsten und
boshaftesten Fabeln, zum Teil aus Unwissenheit.
So erklärte man den Ursprung des Namens Judäa vom Berge Ida in Kreta und
behauptete, dass sie von dort herstammen; gewisse Zeremonien beim
Laubhüttenfest gaben zu der Vermutung Anlass, dass sie den Bacchus
anbeten. Tacitus nennt ihren Kultus absurd und ekelhaft. Die
boshaftesten Verleumdungen stammten aus Alexandrien, wo Manetho über den
Auszug der Juden aus Ägypten einen förmlichen Roman zusammengeschrieben
hatte. Nach ihm hätte ein ägyptischer König eine Anzahl Aussätziger des
Landes verwiesen. An die Spitze derselben stellte sich Moses, ein
ägyptischer Priester aus Heliopolis, dessen eigentlicher Name Osarsiph
war, bewog sie zum Abfall von den ägyptischen Göttern und ließ sie eine
neue, von ihm erfundene Religion annehmen. Unter seiner Führung hätten
sie dann Jerusalem samt Umgebung in Besitz genommen. Der Grund, warum
die Juden einem Eselskopf die göttliche Ehre erweisen, wird aus der
angeblichen Tatsache abgeleitet, dass eine Herde wilder Esel ihnen in
der Wüste den Weg zu Wasserquellen kundgemacht habe. Das Verbot,
Schweinefleisch zu essen, sei darin begründet, dass diese Tiere der
Krätze ausgesetzt seien, also gerade jener Krankheit, wegen welcher die
Juden aus Ägypten vertrieben worden waren. Die ungesäuerten Brote seien
ein Beweis für den von ihnen beim Auszug begangenen Getreidediebstahl;
die Feier des Sabbats ihrer Liebe zum Faulenzen. Es waren ganz besonders
vier Dinge, durch welche die Juden die beliebteste Zielscheibe des
Spottes der damaligen gebildeten Welt wurden:
- 1. die Beschneidung,
- 2. die Strenge ihrer Sabbatfeier,
- 3. die Enthaltung vom Schweinefleisch, und
- 4. die bildlose Gottesverehrung.
Ich möchte meine verehrten antisemitischen Gegner
besonders darauf aufmerksam machen, dass diese vier Punkte
ausschließlich dem Gebiete der Religion angehören und dass sich in der
ganzen lateinischen und griechischen judenfeindlichen Literatur keine
Beschuldigung, kein Witz befindet, der sich auf das Wuchern, auf das
Aussaugen Andersgläubiger, oder auf unredliche Geldgebarung bezieht.
Dieser Hass und Spott des Altertums trifft somit Gesetze und
Einrichtungen jener Religion, welche auch die Christen und Mohammedaner
bis zur Zeit Christi für die einzig wahre halten.
Was aber die griechisch-römische Welt am heftigsten gegen die Juden
aufbrachte, war die strenge Scheidewand, welche diese zwischen sich und
der nichtjüdischen Welt errichteten, was sie bloß darum taten, weil ihr
G e s e t z sie dazu verpflichtete. Die römische Weltmonarchie und
die hellenistische Kultur hatten die römische und die griechische Welt
im hohen Grade nivelliert und die völkertrennenden Schranken
niedergerissen. — Nur die Juden allein wollten sich nicht assimilieren
und kamen somit in den Verdacht, alle Nicht-Juden zu hassen. T a c i t u
s beschuldigt sie des Hasses gegen alle Menschen.
J u v e n a l beschuldigt sie, dass sie nur Glaubensgenossen den
Weg zeigen und nur Beschnittene zur gesuchten Quelle führen. In
Alexandrien wurde geglaubt, dass die Juden einen Eid leisteten, keinem
Fremden wohlgesinnt zu sein. Tacitus sagt, dass die jüdischen Proselyten
zuerst lernen die Götter verachten, dem Vaterlande abzusagen, Eltern,
Kinder, Geschwister geringzuschätzen, mit einem Worte, das Hauptgefühl,
welches die Juden in der damaligen Welt hervorriefen, war das der
tiefsten Verachtung; es war dies folglich ausschließlich eine Wirkung
ihrer Religion.
Da ist es denn auffallend, dass es möglich war, dass sich diese
verachtete Religion im römischen Reiche dennoch so sehr ausgebreitet
hat. Der merkwürdige Erfolg der jüdischen Propaganda ist darauf
zurückzuführen, dass der Glaube an die einheimischen Götter bei den
Gebildeten jener Zeit längst geschwunden, während der starre
Monotheismus und der reine Gottesbegriff des Judentums vielen Gebildeten
sympathisch war. Ferner zielte die jüdische Religion auf ein
sittlicheres und frommeres Leben in viel höherem Masse als die
einheimischen Religionen, was jedenfalls anziehend auf die Besten der
Zeit gewirkt haben muss. Endlich führte die Mode der Zeit nach der
Aufnahme der geheimen Kulte des Orients. In Griechenland hatte diese
Mode schon im fünften Jahrhundert vor Christus begonnen und seit dem
dritten Jahrhundert finden wir die Vorliebe zum phrygischen Kulte des
Sabazius in Griechenland allgemein verbreitet: In Rom tritt diese
Vorliebe schon seit dem zweiten Jahrhundert v.Chr. auf, im Jahre 43
v.Chr. war von den Triumviren selbst ein Tempel des Serapis und der Isis
erbaut worden. Der persische Kult des Mithras war fast in allen
Provinzen des römischen Reiches verbreitet.
Die jüdische Propaganda wurde auch sehr eifrig betrieben. Christus sagt
nach Matthäus Kap. 23,15 den Pharisäern, dass sie Meer und Festland
durchstreichen, um einen einzigen Proselyten zu machen. Von diesen
Proselyten wurde übrigens nicht viel verlangt. Wie wir aus Philo
entnehmen, war bei den hellenistischen Juden die Abstammung von Abraham
Nebensache, die Reinheit des Gottesbegriffes die Hauptsache. Es gab
sogar Heiden, die, obwohl sie der heidnischen Religion treu blieben,
dennoch einige Satzungen des Judentums beobachteten. Nicht einmal die
Beschneidung wurde von allen Proselyten verlangt, das sibyllinische
Orakel verlangt außer der Verehrung Gottes statt der Beschneidung bloß
ein Reinigungsbad.
Als König Izades sich zum Judentum bekehren wollte, riet ihm ein Jude,
namens Ananias, von der Beschneidung ab, indem er bemerkte, dass er auch
ohne Beschneidung Gott dienen und selig werden könne. Die Beschneidung
verpflichte natürlich zur Haltung des gesamten jüdischen Gesetzes. So
sehen wir, dass sich überall, wo es jüdische Gemeinden in der Diaspora
gab, ihnen ein Anhang gottesfürchtiger Heiden anschloss. Dieselben
befolgten die jüdische Gottesverehrung sowie einige wenige Satzungen des
Judentums, waren jedoch nicht beschnitten. Hierdurch unterschieden sie
sich von den eigentlichen Proselyten, welche infolge der Beschneidung
zur Beobachtung des gesamten jüdischen Gesetzes verpflichtet waren.
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