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Neidgeschrei:
Antisemitismus und Sexualität

Aus der Einleitung von Gerhard Henschel
(Autor v. Neidgeschrei: Antisemitismus und Sexualität).

In dem Buch (Neidgeschrei: Antisemitismus und Sexualität) soll der Vermutung nachgegangen werden, daß der sexuelle Neid ein Hauptmotiv der Judenfeindschaft bildet und von Anfang an aus ihren Zeugnissen gesprochen hat.

Die Konsequenzen, Verlaufsformen und Ursprünge des modernen Rassenantisemitismus sind gründlich erforscht worden, bis hinunter in das Wurzelfaserwerk der judenfeindlichen Traktate aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert. Jeder, der noch tiefer schürfen möchte, kann sich anhand der unermeßlich reichen Forschungsliteratur auch von allen früheren Entwicklungsstadien der Judeophobie genaue Kenntnisse verschaffen, bis in die fernsten Zeiten. Doch so weit der Blick in die Vergangenheit auch schweift, er trifft immer wieder auf die gleiche boshafte, mit allen Anzeichen innerer Erregung vorgetragene und insgeheim, wie es oft scheint, von glühendem Neid erhitzte Anklage an die Adresse der Juden, die es einfach nicht lassen könnten, sich sexuell über Gebühr zu vergnügen, nichtjüdische Frauen zu verführen und die moralische Ordnung zu zerrütten.

1. Teil:
Sexueller Neid in der Geschichte des Judenhasses

In zeitlich oder regional begrenzten Studien über die Geschichte des Judentums blitzt das sexuelle Motiv manchmal am Rande auf, in Zitaten aus Gerichtsurteilen über einen Juden, der sich einer Christin »unzüchtig« genähert hatte, oder aus lokalen Flugschriften, in denen sich die Juden als Verführer der Jugend gebrandmarkt sahen. Führt man aber solche Quellenfunde in größerer Zahl zusammen und vermehrt den Zufluß um einschlägige Zitate aus der judenfeindlichen Literatur, von den Schriften der Kirchenväter bis zur antizionistischen Öffentlichkeitsarbeit der Islamisten, dann ergibt sich ein Panorama von geradezu atemberaubender Weite, Tiefenschärfe und Häßlichkeit. Wenn es statthaft wäre, die Judenfeinde der Antike, des Mittelalters und der frühen Neuzeit ebenso wie ihre modernen Nachfolger als Antisemiten zu bezeichnen, könnte man sagen, daß der Sexualantisemitismus seit mindestens zweitausend Jahren existiert und seit der Zeitenwende sehr viel mehr gewesen ist als eine marginale Begleiterscheinung der abendländischen Geschichte.

Im Folgenden werden hauptsächlich Quellen aus dem deutschen Sprachraum zitiert, aber das soll nicht heißen, daß die Wanderlegende von den geilen, ihre »Wirtsvölker« zu Ausschweifung und Sittenlosigkeit verleitenden Juden andernorts weniger verbreitet gewesen wäre. Die Sage vom lüsternen Juden erfreut sich seit Jahrhunderten einer grenzüberschreitenden Beliebtheit, die sich mit historischen Auslandsnachrichten belegen läßt.

Im Jahre 1115 gab der französische Benediktinerabt Guibert von Nogent in seiner Autobiographie die Sage von einem Juden wieder, der einen Mönch zur Masturbation und zur Teufelsanbetung verführt habe.7 Unter Karl II., dem König von Neapel, erfolgte 1289 eine Vertreibung der Juden, die man des Wuchers und sexueller Exzesse beschuldigte.8
Papst Alexander VI. legte 1498 in einer abenteuerlich konstruierten Anklage einigen Nonnen zur Last, sie hätten »mit Juden Geschlechtsverkehr gehabt und seien in der Folge schwanger geworden. Sie hätten die Föten abgetrieben und daraus "Pastillen" zubereitet, die sie ihren Liebhabern und Buhlern zum Verzehr gegeben hätten«.9
1569 hielt Pius V. in der päpstlichen Bulle »Hebraeorum gens« den Juden vor, daß sie häufig »in die Wohnung ehrbarer Frauen« gingen und »viele von ihnen zu scheußlicher Kuppelei« drängten.10

Und so ging es weiter und weiter. Er werde sich jetzt, das verkündet Sancho, der Sohn eines reichen und soeben verstorbenen Juden, in einem 1694 entstandenen Theaterstück des englischen Dramatikers und Hofhistoriographen John Dryden, in ein wildes und wüstes Liebesleben stürzen. 11
Gegen die Emanzipation der Juden führte ein anderer Gentleman I753 das Argument an, daß deren eigener Gott sie bereits im Altertum als hurenhaft und schamlos gescholten habe.12
Im selben Jahr erschien in einer britischen Zeitung eine Schauergeschichte mit der Pointe, die Juden wollten nach der Entjungferung sämtlicher englischen Mädchen die Engländer erst beschneiden und dann abschlachten.13

In Frankreich erging sich unterdessen der Philosoph Voltaire in den vulgärsten Phantasien über die Sünden der Juden, von der Verführung hilfloser Römerinnen und der Schändung ehrbarer Jungfrauen bis hin zu Perversionen wie Inzucht und Sodomie. Jüdinnen, erklärte er, seien besonders empfänglich für die sexuelle Stimulation durch Esel, Pferde und Ziegenböcke; im übrigen seien die Juden unreinlich und leprös, und sie würden sich keine Unterwäsche anziehen.14

Ein Zürcher Pfarrer zählte 1768 »die Delicta carnis, die verbottene unzüchtige strafbahre Verbrechen, Hurey, Ehebruch und andere Leichtfertigkeiten« auf und behauptete: »Die Erfahrung aller Zeiten hat gezeiget, daß die Jüdische Nation diesem Laster auf eine besondere Weise ergeben gewesen, und solches eigentlich ihre Favorit-Sünde ausgemachet« habe.15 Dieser Glaube erhielt sich in der Schweiz so lebendig, daß die Juden, die ihre staatsbürgerliche Emanzipation anstrebten, 1851 in einer Zeitung des Schweizer Kantons Basel-Landschaft kurzerhand mit Ehebrechern, Prostituierten und Kindsmörderinnen gleichgesetzt werden konnten.16

Wahrhaft ritterlich hat sich der Schriftsteller Emile Zola auf die Seite des jüdischen, der Spionage verdächtigten Offiziers geschlagen, dem die Dreyfus-Affäre ihren Namen abzwang, und doch ist auch Zolas erzählerisches Werk nicht frei von Pointen und Formulierungen, die ein drastisches Bild von der Alltäglichkeit sexualantisemitischer Klischees in der Dritten Republik vermitteln: In Zolas 1883 erschienenem Roman »Au bonheur des dames« dreht ein gewissenloser, viele Geliebte verschleißender Konfektionshändler, der von sich selbst behauptet, er sei »jüdischer als jeder Jude«, christlichen Kundinnen minderwertige Waren an, und er läßt, wie der Erzähler beiläufig anmerkt, unter der Anmut seiner Galanterie »die Brutalität eines Juden« aufscheinen, der die Frau pfundweise verkaufe.17
Über dieses Normalmaß des Antisemitismus ging der Schriftsteller, Politiker und spätere Wortführer der »Anti-Dreyfusards« Edouard Drumont 1886 in seiner berüchtigten, sogleich ins Deutsche übersetzten und in Deutschland vielfach neuaufgelegten Anklageschrift »La France juive« erheblich hinaus. »Wünscht man«, fragte Drumont, »daß die ehedem anständigen Tanzbelustigungsorte der Jugend jetzt schlechte Lokale werden? Dort ist der Jude Merkowski der richtige Mann. Die Jüdin Simia und das Zwitterwesen Wolf rufen dort zu Nichtsnutzigkeiten die Leute herbei.«18 Nach Drumonts Erkenntnissen folgten die Juden hierbei einem Generalstabsplan zur Zerrüttung der christlichen Sexualmoral: »Uebrigens dient die jüdische Prostituirte ihrem Volke nach ihrer Weise; sie erfüllt ihre Mission, indem sie die Söhne unserer Aristokratie ruiniert und der Schande überliefert. So ist sie ein nicht unwirksames Instrument, das im Interesse der jüdischen Politik thätig ist.«19

In diesem Kampf bediene sich »die antireligiöse jüdische Propaganda außerdem der Zeitschriften und sonstigen Veröffentlichungen obszöner Gattung, der sogenannten Pornographie«. In einer Fußnote merkte Drumont dazu an: »Nach dem Talmud soll es Glück bedeuten, wenn man von Exkrementen träumt. Fast alle schweinischen (sadiques) Bücher werden von jüdischen Verlegern verbreitet.«20 Für die Wahrnehmung der Sittenstrenge frommer Juden boten solche Überlegungen ebensowenig Raum wie für die Entwicklung des Gedankens, daß die jüdischen Verleger pornographischer Literatur weitaus lieber den christlichen Kundenmarkt studiert haben dürften als den Talmud.

»Der jüdische Arendenpächter, das ist der Satan, der in jeder Richtung Verkommenheit, Ausbeutung, Trunksucht verbreitet«, warnte 1898 ein polnischer Antisemit seine Landsleute. »Die Schenke des Juden ist der Ort, wo der Keim von Streit, Prozessen, Morden und anderen Brutalitäten wächst.«21 Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts glaubte auch Nicolae C. Paulescu, der als Professor für Physiologie an der Universität Bukarest wirkte, etwas Verräterisches über die Juden herausgefunden zu haben: »Lediglich die christliche Religion fordere die Einschränkung der Begierden; demgegenüber mache der Talmud die Wollust zum Maß aller Dinge.«22 Bei einer Debatte über neue Gesetze gegen die Prostitution prangerten rechtsgerichtete Abgeordnete 1909 in der russischen Duma die Juden als Mädchenhändler und Volksverderber an,25 und noch heikler wurde es in den Jahren der Revolution für die russischen Juden: Ein Agent der konterrevolutionären Weißen Armee stufte sie ganz allgemein als zersetzende, die Jugend mit Wein, Weibern und Kartenspiel verseuchende Bakterien ein.24
... Fortsetzung... (2.Teil)...

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Neidgeschrei:
Antisemitismus und Sexualität
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