Neidgeschrei:
Antisemitismus und Sexualität
Aus der Einleitung von Gerhard Henschel
(Autor v.
Neidgeschrei: Antisemitismus und Sexualität).
2.
Teil:
Sexueller Neid in der Geschichte des Judenhasses
Spuren hat der Sexualantisemitismus auch in der
Geschichte der USA hinterlassen. Im späten neunzehnten
Jahrhundert wurden die US-amerikanischen Juden in einer
Artikelserie der Zeitschrift
Life
als
Zerstörer der öffentlichen Sittlichkeit denunziert25 und
die aus Osteuropa eingewanderten Juden allesamt der
Zuhälterei verdächtigt, des Handels mit christlichen
Frauen und der Demoralisierung Amerikas.26
Von einem
antisemitischen Mob wurde 1915 der Jude
Leo Frank
gelyncht, dem man in Georgia in Atlanta, unter Berufung
auf fadenscheinige Indizien, die Vergewaltigung und
Ermordung einer vierzehnjährigen Christin angehängt
hatte.27
1920 veröffentlichte der Großindustrielle Henry Ford
eine judenfeindliche Kampfschrift, die ebenso zügig wie
einst die von Drumont ins Deutsche übersetzt wurde. Die
»Hauptanklage« des Kapitalisten Ford an die Adresse der
Bolschewisten betraf ausdrücklich ihre »sittliche
Verwahrlosung« und nicht ihre Wirtschaftsweise:
-
Bekanntlich steht die
Keuschheit der christlichen weiblichen Jugend bei
den jüdischen Jünglingen und Männern nicht so hoch
im Kurse wie die der jüdischen Jungfrauen [...] Die
Hauptanklage richtet sich nicht gegen die
kommunistische Wirtschafts-Methode, auch nicht gegen
den Betrug und die trostlose Irreführung des Volkes.
Nein, sie richtet sich gegen die unverhüllt,
schmutzige sittliche Verwahrlosung, gegen die
viehische Unflätigkeit, die in allem zum Durchbruch
kommt: hier zieht sich eine scharfe Linie zwischen
nicht-jüdischer und jüdischer Sitten» Auffassung.28
Henry Fords Geringschätzung der jüdischen
Geschlechtsmoral teilten auch die 1944/45 vom Institute
of Social Research befragten US-amerikanischen Arbeiter,
deren Kommentare der Soziologe Leo Löwenthal
zusammengefaßt hat: »Juden praktizieren offenbar das
Verbotene. Sie schwelgen in Schlampigkeit und
Lasterhaftigkeit. Sie versagen sich keine Genüsse und
Lüste und wehren sich gegen jede Form selbstauferlegter
Disziplin. Ihr Sexualleben, auf das in den Interviews
vereinzelt Bezug genommen wird, ist der Höhepunkt der
ihnen unterstellten ungehemmten Lust.«29 Zur weiteren
Verbreitung dieses Klischees trugen noch in den Jahren
des Zweiten Weltkriegs populäre englische Romane bei,
die davon handelten, daß schmutzig, schleimig und
rattenhaft dargestellte Judenfiguren nichtjüdische
Frauen verführten, quälten und schwängerten.30 Eine 1946
in Großbritannien erstellte Studie über rassistische
Vorurteile gab als Mehrheitsmeinung wieder, dass die
Annäherung von Juden an Frauen oftmals offen und
ungehemmt und nur selten erfolglos verlaufe, was »bei
sensitiveren und schüchternen Verehrern natürlich
Eifersucht und Zorn« hervorrufe.51
Den Ursprung der Syphilis lokalisierten amerikanische
Mediziner zu guter Letzt im Schoß der einheimischen
Judenheit. Die Syphilis, so hieß es im September 1968 in
einer US-amerikanischen Zeitschrift, sei eine unter
Juden zirkulierende Infektion, deren Verbreitung mit der
Wollust und der Promiskuität der Juden ursächlich
verbunden sei.32 In der Sowjetunion verfuhr man nicht
zimperlicher: 1970 erschien im Verlag des
Kriegsministeriums der UdSSR ein Roman mit dem Titel
»Liebe und Haß«, verfaßt von dem ehemaligen
Marineoffizier Iwan Tschewzow. Darin spielt ein
wollüstiger »Halbjude« verrückt: »Nahum war von Sinnen
vor Begierde. Das wilde Ungeheuer und das Bauerntier
wohnten in seiner Brust. Auf dem Bett sitzend und
schnaufend wie ein Stier, berührte er Sonias zitternde
Schultern. Wie von einem elektrischen Schlag durchzuckt,
flüchtete sie an die Wand und schrie hysterisch: Wag
nicht, mich anzurühren! Wag nicht, mich anzurühren!«33
Noch etwas härter traf es die Juden 1986 in einem Roman
des Schriftstellers Wassilij Below. Darin wurde »der
zersetzende Einfluß von Alkoholismus, Pornographie und
der gesamten westlichen Massenkultur mit ihren Moden und
Verhaltensweisen, mit Popkultur, Jeans und Aerobic
eifrig angeprangert«, und ein Jude mußte als
»Verkörperung des bösen Prinzips« herhalten.34 Im
leidenschaftlichen Widerstand gegen die jüdische
Sexualität hätten viele verfeindete Fraktionen
zusammenfinden können, wenn es nicht seit
Menschengedenken üblich gewesen wäre, rundheraus jedem
Außenseiter sexuelle Perversionen anzudichten.
Eine Untersuchung der Phantasien über die Sexualität der
Juden wäre unvollständig, wenn darin nicht auch das
faszinierende und furchterregende Problem der sexuellen
Fremde im allgemeinen zur Sprache käme. Es lädt zu
ausschweifenden Wachträumen ein, und es steht jedem
Denunzianten offen, sich aus Lust am Klatsch oder aus
politischer Berechnung über das sittenwidrige
Sexualverhalten anderer Leute zu äußern. Von heidnischer
Seite sahen sich die frühen Christen dem Vorwurf
ausgesetzt, daß sie die Genitalien ihrer Priester
verehrten und sexuelle Orgien feierten.35 Im Jahr 177
wies ein griechischer Christ diesen Vorwurf zurück:
Nicht die Christen, sondern die Heiden seien Ehebrecher,
Zuhälter und Knabenschänder.36 Stets aufs neue sagte die
Kirche den Ketzern »unnennbare Schandthaten der Unzucht«
nach,37 so wie schon der Apostel Paulus den Heiden
»schändliche Lüste« unterstellt hatte: »Denn ihre Weiber
haben verwandelt den natürlichen Brauch in den
unnatürlichen. Desgleichen auch die Männer haben
verlassen den natürlichen Brauch des Weibes und sind
aneinander erhitzt in ihren Lüsten und haben Mann mit
Mann Schande getrieben und den Lohn ihres Irrtums (wie
es denn sein sollte) an sich selbst empfangen.« 38
Die Unsitte, den Anhängern des jeweils anderen
Aberglaubens sexuelle Schandtaten vorzuwerfen, hatten
die Christen von ihren Verfolgern übernommen. Im neunten
Jahrhundert ermahnte Haimo, der Bischof von Halberstadt,
seine Gemeinde, nicht »in gieriger Lust wie die Heiden«
zu leben, »nicht wie die Mauren, Vandalen und Sarazenen,
die sechzig oder mehr Frauen haben«.39 Wie es die Männer
und Weiber am Nil miteinander trieben, hielt im zwölften
Jahrhundert der jüdische Chronist Benjamin von Tudela
fest: Die Männer würden dort nackt einhergehen und
sexuellen Verkehr mit den eigenen Schwestern pflegen und
überhaupt mit allen Frauen, deren sie habhaft werden
könnten.40 Den Unfug dieser Form der Völkerkunde
förderte der Humanist Enea Silvio Piccolomini, der von
1458 bis zu seinem Tod im Jahre 1464 als Pius II. das
Amt des Papstes versah: Er hatte es auf den Islam
abgesehen und verteufelte die Türken alle miteinander
als sexuelle Missetäter,41 beschrieb Verlogenheit und
Wollust als grundlegende Charakterzüge des Propheten
Mohammed und verdammte den Koran, weil er
Unsittlichkeit, Vielweiberei und Ehescheidung erlaube.42
Die losen Sitten im Ausland hatten die Phantasie der
Inländer schon seit den Punischen Kriegen beschäftigt.
Als eine neue Welt entdeckt wurde, ging es noch höher
her. Im frühen sechzehnten Jahrhundert berichtete
Amerigo Vespucci von den gewaltigen Genitalien der
Eingeborenen, die in polygamen und inzestuösen
Verhältnissen lebten und im übrigen gewohnheitsmäßige
Menschenfresser seien. Ihre Frauen seien allesamt nackt
und außerordentlich lüstern. Sie würden sich, wenn sie
die Gelegenheit hätten, sexuell mit Christen zu
verkehren, bereitwillig beflecken und prostituieren,
getrieben von maßloser Geilheit, und auch den eigenen
Männern alles abverlangen: »Denn da ihre Frauen
wollüstig sind, lassen sie das Gemächt ihrer Gatten zu
solcher Dicke anschwellen, daß dieses entstellt und
abscheulich aussieht; und dies bewirken die Frauen durch
einen speziellen Trick und zwar durch den Biß bestimmter
giftiger Tiere. Und dadurch verlieren viele Männer dort
ihr Gemächt, und so werden sie zu Eunuchen.«43 Die
Männer aber würden es als vornehmstes Zeichen ihrer
Freundschaft mit den Fremden ansehen, ihnen alle
Ehefrauen und auch alle jungfräulichen Töchter
anzubieten, die "nach Gelust zu haben« und zu
deflorieren seien.44 Es paßte dazu, was der englische
Kompilator Samuel Purchas im frühen siebzehnten
Jahrhundert über die Einwohner von Guinea notierte, ohne
auch nur einen einzigen von ihnen persönlich
kennengelernt und examiniert zu haben: Sie seien
verfressen, versoffen, wollüstig, diebisch, dreckig und
polygam, und auch die Frauen würden der Unzucht frönen,
besonders gern mit Fremdlingen.45 So malte sich der
weiße Mann die Orgien auf dem schwarzen Kontinent am
liebsten aus, detailgenau und hingebungsvoll, gestützt
auf lnformationen aus zweiundzwanzigster Hand und immer
der dunklen Ahnung folgend, daß es in der sexuellen
Fremde stürmischer und verruchter zugehe als daheim in
London, Lissabon oder Königsberg.
Innerlich aufwühlen ließ sich die Christenheit damals
auch durch Pikanterien aus der Welt der Magie. Der
Klatsch über walpurgisnächtliche Sexualkontakte zwischen
Hexen und dem Teufel stand zu dieser Zeit in höchster
Blüte.46 Es war ein uraltes Lied, und es sollte noch
älter werden. 47 »Am ausführlichsten«, schreibt der
Amerikanist Gert Raeithel, »wurde im 17.Jahrhundert die
Frage diskutiert, ob es sich bei den Indianern um Juden
handelte«.48 William Hubbard, »der amtlich autorisierte
Historiker der Puritaner«, habe in seiner
Kriegsgeschichte den Standpunkt vertreten, daß die
Bekämpfung der Indianer »der Ausrottung von Ungeziefer«
gleichkomme.49 Tabu gewesen sei indessen nur der
sexuelle Verkehr zwischen Indianern und den Frauen der
Siedler: »In Neueng-111 iJ haben weiße Männer regelmäßig
Indianerfrauen geheiratet. Wenn eine Engländerin aber
einem Indianer >carnal knowledge< gewährt hatte, war sie
einer Bestrafung sicher. Die Silhouette eines Indianers
wurde aus rotem Tuch ausgeschnitten, auf den Ärmel
genäht, das Zeichen mußte sie ein Jahr lang tragen.«50
Den Puritanismus der Christen, die solche ''ii.ifen
erdachten, fällten und vollstreckten, hat der Journalist
Henry Louis Mencken als Ausfluß der bohrenden Angst vor
dem Verdacht definiert, daß irgendwo irgendwer glücklich
sei.51
Für sexuelle Bacchanalien, die nicht unterbunden werden
konnten, weil sie in entlegenen Ländern stattfanden,
dachte man sich Strafen der Natur oder Gottes aus. 1772,
einige Jahre nach einer Expedition in den Orient,
verriet der Naturforscher Carsten Niebuhr der
christlichen Welt etwas Kitzliges über die Mohammedaner:
-
Sie sind nach dem Gesetze verbunden
alle ihre Weiber anständig zu unterhalten, und einer
jeden wöchentlich einmal beyzuwohnen. Eine Pflicht
die vielen Mohammedanern zu schwer ist; denn sie
heyrathen entweder sehr jung, oder der Vater kauft
seinem Sohn eine Sclavinn, um zu verhüten, daß er
nicht Bekanntschaft mit liederlichen Weibern suche.
Man hat eine Tradition, daß Mohammed, welcher ein
schlechter Naturkundiger gewesen seyn muß, gesagt
habe: Eine Mannsperson werde, so wie ein Brunnen,
immer ergiebiger, je mehr er gleichsam ausgeschöpft
werde. Aber die Mohammedaner erschöpfen sich doch in
ihrer Jugend dergestalt, daß sich oft Leute von
dreyßig Jahren bey unserm Arzt über Unvermögen
beschwereten.52
Niebuhr, befangen in dem seinerzeit als
wissenschaftliches Dogma geltenden Irrtum, daß ein
früher und großzügiger Gebrauch die Geschlechtswerkzeuge
des Mannes ruiniere und den Samenfluß versiegen lasse,
mag auf der Reise zwar von dem einen oder anderen
impotenten Araber gehört haben, doch die Folgerung, »die
Mohammedaner« würden sich in ihrer Jugend sexuell zu
heftig verausgaben und seien daher mit ihrer Manneskraft
durchweg als Dreißigjährige am Ende, wirkt aus heutiger
Sicht weniger überzeugend als auf Niebuhrs Zeitgenossen.
53
Aus Jamaika teilte der britische
Kolonialverwaltungsbeamte Edward Long der zivilisierten
Menschheit 1774 mit, daß die Eingeborenen dort sexuell
triebstark seien und so schamlos wie Paviane.54 Sondiert
und generell mißbilligt wurden im späten achtzehnten
Jahrhundert auch die sexuellen Aktivitäten der Zigeuner.
Höheren Orts ging man davon aus, daß sie niedrigen
Leidenschaften frönten. »Nichts übersteigt ferner die
Zügellosigkeit wollüstiger Sitten, die unter diesem
Volke Herkommens ist«, heißt es in einer
antiziganistischen Hetzschrift aus dem Jahr 1783.55 Doch
es ging auch andersherum: Hinsichtlich ihrer »ölreichen
Organisation zur sinnlichen Wollust« sprach Johann
Gottfried Herder den »Negern« Ende des achtzehnten
Jahrhunderts ein Kompliment aus,56 dessen Berechtigung
der Rassist Christoph Meiners allerdings anzweifelte,
nachdem er sich mit den »eben so säuischen, als
schaamlosen Negern« vertraut gemacht hatte.57 Die
Virilität der Afrikaner und ihrer versklavten Nachfahren
in der Neuen Welt gab vielen weißen Männern zu denken,
vor allem, wie Gert Raeithel hervorgehoben hat, in den
Vereinigten Staaten von Amerika:
-
Der Süden war in der Phantasie von
Abolitionisten ein Ort des ungezügelten Hedonismus,
ein Sündenpfuhl, den es trockenzulegen galt, ein
großes Bordell, wie der Liberator im Jahr 1858
schrieb: Weiße Herren suhlten sich dort mit
schwarzen Sklavinnen und trügen dadurch zur
überstarken Vermehrung der schwarzen Rasse bei. Eine
Emanzipation der Sklavenbevölkerung würde zu ihrer
Verstreuung führen und ihr Wachstum reduzieren.
Solange der Süden aber eine geschlossene Einheit
bliebe, würde dort, wie in den Klöstern, die Lust
regieren. Die Südstaatler drehten den Spieß um und
behaupteten, die angeblich human gesinnten
Abolitionisten gäben in Wirklichkeit nur ihrer
Triebhaftigkeit nach; was sie wirklich wollten,
seien afrikanische Frauen.58
Immer waren es die anderen, die ihren
Trieben freien Lauf ließen - die Sklaven, die
Sklavenhalter, die Sklavenbefreier, die Hunnen, die
Mauren, die Vandalen, die Mongolen, die Indianer, die
Türken, die Schweden, die Franzosen, die Ketzer oder
eben die Heiden, die Christen, die Muslime, die
Sarazener, die Zigeuner und ein ums andere Mal die Juden
und mindestens ebensooft die Schwarzafrikaner.
1872 brachte der Ethnograph Gustav Fritsch
zu Papier, was er bei der Erforschung des Unterleibs
einiger Frauen vom Stamm der Hottentotten herausgefunden
hatte: »Es wäre wohl nicht unmöglich, dass die so
regelmässig vorkommende Verlängerung der Labien und
eventuell der Clitoris gar nichts Besonderes darstellt,
sondern wesentlich als eine Folge der ausserordentlich
häufigen Masturbation anzusehen ist; jedenfalls wird
dieses Laster viel zur monströsen Ausbildung der
Eigenthümlichkeit beigetragen haben.«59 Man stelle sich
vor, hottentottische Medizinmänner hätten damals
anatomische Untersuchungen an Gustav Fritschs Großmutter
vornehmen wollen, um deren Schamlippenlänge zu
ermitteln. Davon wäre Gustav Fritsch nicht erbaut
gewesen. Er selbst aber nahm sich das Recht heraus, mit
Zollstock, Lupe und Monokel zur Vulva afrikanischer
Frauen vorzudringen und dort Maß zu nehmen, vor den
Augen einer Leserschaft, zu der auch Friedrich Engels
zählte, ein Mann, der sich seinen eigenen Gedanken über
die Geschlechtsfreuden der Wilden hingegeben hat: »Nicht
nur waren Bruder und Schwester ursprünglich Mann und
Frau, auch der Geschlechtsverkehr zwischen Eltern und
Kindern ist noch heute bei vielen Völkern gestattet«,
behauptete Engels, ohne seine Traumgespinste mit einem
Quellenverweis zu untermauern.60
Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts
machte die Erforschung der primären Geschlechtsorgane
unterm Lendenschurz der kolonial-sierten Völker
bedeutende Fortschritte. Der Verfasser einer
anthropologisch-kulturhistorischen Studie widmete sich
speziell der strittigen Frage nach dem wahlweise
beängstigenden, beneidenswerten oder aufreizenden Format
der Genitalien:
Die Beobachtungen über die verschiedene
Form und die verschiedene Ausdehnung der Genitalien
bei den verschiedenen Rassen sind noch sehr
spärlich; bekannt aber ist bereits, daß das
männliche Glied bei den Negern im allgemeinen viel
größer ist als bei den anderen Völkern, und während
der Jahre, in denen ich in Südamerika als Arzt
praktizierte, habe ich diese Thatsache mit meinen
eigenen Augen gesehen. Diesem größeren Volumen der
Geschlechtsteile des Mannes entspricht auch eine
größere Weite der Schamteile der Negerinnen.
Falkenstein hat gefunden, daß die Neger in Loango
eine sehr starke Rute haben, und daß ihre Frauen mit
der Umarmung der Europäer ziemlich unzufrieden
sind.61
Als Verursacher und Auslöser sexueller
Eskapaden unter den Wilden hatte man das Klima im
Verdacht,62 aber die Furcht vor der sexuellen Fremde
reift unter jedem Himmel heran: Im späten neunzehnten
Jahrhundert lief in China das Gerücht um, die
christlichen Missionare würden selbst mit ihren engsten
Familienangehörigen den Analverkehr praktizieren,
chinesische Ehefrauen mit Aphrodisiaka verfuhren und
jungen Männern den Samen und mit ihm auch deren
Lebensatem aussaugen.63 Die Wilden sind immer die
anderen.
Kennzeichnend für die Begriffe, die sich
die Anthropologen vom sexuellen Haberfeldtreiben der
Wilden gemacht haben, ist eine Notiz des Sexualforschers
Auguste Forel:
Typisch für die Begriffe der Wilden ist die
folgende Angabe Ribbes (Zwei Jahre unter den Kannibalen
der Salomo-Inseln, Dresden-Blasewitz, Beyer 1903) über
eine allgemeine Sitte der Salomo-Insulaner:
Ein junges reifes Mädchen wird eines
Tages als
»Mangotta«
(öffentlich)
erklärt. Sie kann dann mit jedem, der sie haben will
- ob weiß oder schwarz - sexuell verkehren. Je mehr
Liebhaber es sind, um so größer die »Ehre«. Dabei
findet sie unter Umständen einen, der sie heiratet.
Von da ab ist ihre Untreue mit dem Tode bedroht
(Folge: Epidemien von Gonorrhöe).64
Woher wußte Forel, daß die Angabe typisch
»für die Begriffe der Wilden« war? Er wußte es nicht. Er
hatte es sich nur so gedacht, und er hielt fest, was
auch ohne sein Zutun unverrückbar festzustehen schien:
»Eines scheint dagegen festzustehen, nämlich die mit
geistiger Minderwertigkeit einhergehende heftige,
ungezügelte sexuelle Leidenschaft der Neger.«65 Zum
gleichen Schluß kam der italienische Professor Cesare
Lombroso:
Die Papua sind alle sehr sinnlich und
fast jede Unterhaltung dreht sich um das Sexuelle.
Hört man Papua lachen, so kann man sicher sein, daß
sie zoten. Die Weiber haben in dieser Hinsicht gar
keine Zurückhaltung im Gespräch und lachen
ausgelassen über die obszönen Späße. Die
Prostitution wird schon in früher Jugend ausgeübt,
und es ist nicht übertrieben, zu sagen, daß man nie
weiß, wann ein Weib defloriert worden ist. Auch die
Spiele der Kinder sind unpassend und bei beiden
Geschlechtern masturbieren die Kinder gewöhnlich.
Die Tribadie ist ebenfalls bekannt und gilt nicht
für verwerflich.66
Man darf das bezweifeln. Aber selbst wenn
alles wahr wäre, was die Ethnologen einander über die
Schamlosigkeit ihrer Forschungsobjekte erzählt haben, so
würde doch kaum etwas davon an die Unverschämtheit des
Anthroposophen Rudolf Steiner heranreichen, der 1923
seine visionären Einsichten in das Triebleben und das
Gehirn des Afrikaners zum besten gab:
»Der Neger hat also ein starkes
Triebleben. Und weil er eigentlich das Sonnige,
Licht und Wärme, da an der Körperoberfläche in
seiner Haut hat, geht sein ganzer Stoffwechsel so
vor sich, wie wenn in seinem Innern von der Sonne
selber gekocht würde. Daher kommt sein Triebleben.
Im Neger wird da drinnen fortwährend richtig
gekocht, und dasjenige, was dieses Feuer schürt, ist
das Hinterhirn.«67
Hier öffnet sich, jenseits fehlerhafter
oder mißdeuteter, aber doch vielleicht in gutem Glauben
zusammengetragener Feldforschungsergebnisse, das
Märchenreich der reinen Scharlatanerie, mit fließenden
Übergängen ins Gebiet der absichtsvollen sexuellen
Denunziation politischer Gegner oder militärisch
unterlegener Besitzer wertvoller natürlicher Ressourcen
wie Gold, Diamanten, Erdöl, Zuckerrohr, Kakao und
Arbeitskraft.68
weitere
Leseprobe
beim Verlag...
Neidgeschrei:
Antisemitismus und Sexualität
Hier geht es um den aus
sexuellem Neid geborenen Anteil des Antisemitismus, ein
Thema das nicht nur zeigt, welche – manchmal tödliche –
Macht Phantasien entwickeln können, sondern auch vor
Augen führt, wie sich in den Feindbildern einer
Gesellschaft deren Mentalität widerspiegelt… |