Himmler, Heinrich (München, 7.10.1900 - bei Lüneburg,
23.5.1945) Nationalsozialistischer Funktionär. Reichsführer SS
Wolfgang Benz
Heinrich Himmler war vom streng katholischen und königstreuen
bayerischen Elternhaus geprägt, dann auch von völkischen Idealen, die er im
Jugendbund der "Artamanen" kennenlernte. Als Student der Landwirtschaft in
München war Himmler in einer Burschenschaft korporiert, seine militärischen
Sehnsüchte agierte er im "Bund Oberland" aus. Politisch radikalisierte er sich,
Tagebücher und Leselisten lassen die Entstehung seines Weltbildes
nachvollziehen, zu dem die Lektüre antisemitischer Klassiker erheblich
beitrug. Nach dem Studium kurze Zeit in Diensten einer Düngemittelfabrik,
beteiligte Himmler sich am Hitlerputsch 1923 und dann als Agitator für die
NSDAP. Seit der Ernennung zum Reichsführer SS im Januar 1929 war er
ausschließlich politisch tätig. Als kommissarischer Polizeipräsident in
München errichtete Himmler Anfang März 1933 das KZ Dachau und organisierte
dann die politische Polizei in allen deutschen Ländern. Mit der Ausschaltung
der SA rückte er 1934 ins erste Glied der Mächtigen.
Ab 1936 stand Himmler als "Reichsführer SS und Chef der
deutschen Polizei" im Range eines Staatssekretärs im Reichsinnenministerium
an der Spitze der vereinigten außernormativen (Parteigliederung SS) und
normativen (Staatsinstanz Polizei) Exekutive des Dritten Reiches. Nach der
Verschmelzung von SS und Polizei verfügte Hirnmler mit der Gestapo und den Konzentrationslagern über alle
Möglichkeiten des Terrors. Als Ideologe war Himmler vielseitig interessiert,
"Rasse", Vorgeschichte und Geschichte, Volksmedizin, Ernährung, Brauchtum,
Ökologie und Mythologie waren Themen, an denen er persönlich Anteil nahm.
Die Gründung des SS-Vereins "Lebensbom" (in dem uneheliche Mütter und Kinder
betreut wurden) und der SS-Forschungsgemeinschaft "Ahnenerbe" gingen ebenso
auf seine Initiative zurück wie medizinische Versuche in
Konzentrationslagern.
Als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums
(Oktober 1939) war er zuständig für die Germanisierungspolitik in den
besetzten Gebieten, seit August 1943 war er auch Reichsinnenminister und
seit Juli 1944 Oberbefehlshaber des Ersatzheeres.
Gegenüber —> Hitler
vasallentreu und unterwürfig, als Befehlshaber der SS unerbittlich streng
und patriarchalisch, war Himmler als Typ des engstirnigen Buchhalters wenig
beliebt. Vor Lächerlichkeit schützte ihn die Macht, auch wenn er zur "Institutionalisierung seiner Narrheiten" (Joachim Fest) neigte. Der
moralsüchtige Pedant, der Korruption unbarmherzig verfolgte, war bei aller
Beschränktheit ein Phantast, der sich in eine Scheinwelt träumte, die mit
Figuren aus germanischer Vorzeit und dem deutschen Mittelalter bevölkert
war. So sah er sich als Reinkarnation König Heinrichs I. Er vereinte in sich
Charakterzüge des humorlosen kleingeistigen Bürokraten mit denen eines
pathologischen Massenmörders. Wie wenige war Himmler fanatischer Antisemit,
der die gängigen Topoi der Judenfeindschaft verinnerlicht hatte und sich zum
Vollstrecker der "Endlösung der Judenfrage" berufen fühlte.
Mit missionarischem Eifer sorgte er für die Indoktrination der
SS. Ein Buch über "Jüdische Ritualmorde" ließ er im Frühjahr 1943 in großer
Stückzahl unter SS-Führern verteilen und beauftragte den Chef des
Reichssicherheitshauptamtes mit Ermittlungen über Ritualmorde, die
propagandistisch verwendet werden sollten, um die Juden aus Rumänien, Ungarn
und Bulgarien zu deportieren. Himmler dachte auch daran, einen illegalen
Rundfunksender zur antisemitischen Propaganda in Großbritannien und den USA
einzurichten. Den Völkermord an den europäischen Juden, für dessen
Durchführung er in letzter Instanz verantwortlich war, begriff er als stolz
ausgeführte schwere Pflicht: "Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals
zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte", erklärte er in einer Rede
vor SS-Führern am 4. Oktober 1943 in Posen.
Im Frühjahr 1945 organisierte er den "Volkssturm" als letztes
militärisches Aufgebot des "Dritten Reiches", er war für den "Werwolf'
mitverantwortlich. Im April 1945 enthob ihn Hitler aller Ämter und stieß ihn
aus der NSDAP, weil er in der Hoffnung, gegen die Sowjetunion weiter kämpfen
zu können, über eine Kapitulation gegenüber dem Westen verhandelte. Unter
falschem Namen suchte er dem Zusammenbruch des NS-Regimes zu entkommen,
geriet in britische Gefangenschaft und beging Selbstmord.
Literatur
-
Josef Ackermann, Heinrich Himmler als Ideologe, Göttingen 1970.
-
Heinrich Himmler, Geheimreden 1933-1945 und andere Ansprachen,
hrsg. von Bradley F.
-
Smith und Agnes Peterson, Frankfurt am Main 1974. Peter
Longerich, Heinrich Himmler, Berlin 2008.Hippler
Aus dem Handbuch des Antisemitismus:
Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart
Bd. II, Personen
Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart:
Bd.1 : Länder und Regionen
Bd. 2: Personen