Leopold Hilsner wurde in Polná, einer tschechischen Kleinstadt,
geboren und gehörte zur armen Schicht der Stadtgesellschaft. Nach Abschluss
der deutsch-jüdischen Volksschule arbeitete er nur gelegentlich. 1899 wurde
Hilsner - ohne eindeutige Beweise - der Teilnahme an einem angeblichen
Ritualmord an Anezka Hrúzová beschuldigt.
Er wurde festgenommen und im
September 1899 von einem Geschworenengericht in Kutná Hora (Kuttenberg) zum
Tode verurteilt. Nach dem Urteil hielt Hilsner den psychischen Druck nicht
aus und nannte seine angeblichen Mittäter - eine Erfindung, die bald
entdeckt wurde.
Nach der Berufung wurde Hilsner 1900 in Pisek erneut
verurteilt, wobei ihm jetzt auch ein 1898 verübter Mord an Marie Klimove zur
Last gelegt wurde. Die Strafe wurde von Kaiser Franz Josef I. in eine
lebenslange Haft umgeändert.
Hilsners Fall war das einzige
Gerichtsverfahren zur Ritualmordbeschuldigung, das in Österreich-Ungarn mit
Bestrafung des jüdischen Angeklagten endete. Alle Initiativen der jüdischen
Organisationen zur Revision seines Prozesses nach 1900 blieben erfolglos.
Hilsner wurde erst 1918 von Kaiser Karl I. amnestiert. Er lebte als
Landstreicher zwischen Österreich und der Tschechoslowakei und starb 1928 in
Wien.
Michal Frankl
Literatur:
Jiri Kovtun, Tajuplná vrazda. Pripad Leopolda Hilsnera
[Geheimnisvoller Mord. Der Fall Leopold Hilsner], Prag 1994.
Aus dem Handbuch des Antisemitismus:
Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart
Bd. II, Personen
Außerdem:
"Ritualmord" in Polna:
Die "Hilsneriade" 1899
Der Fall Hilsner:
Polna vor hundert Jahren (incl.
Audio)
Radio Praha
Was blieb:
Erinnerung an Leopold Hilsner
Von Petr Vasicek
Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart:
Bd.1 : Länder und Regionen
Bd. 2: Personen