Zionistisches Glossar:
Definition Antisemitismus
Der Begriff "Antisemitismus" wurde 1879 von Wilhelm
Marr, einem deutschen Aufwiegler, geprägt, um die antijüdischen
Ausschreitungen zu bezeichnen, die sich in Mitteleuropa ereigneten. Bis zu
einem gewissen Grad hatten antijüdische Haltungen immer existiert, wenn
Juden außerhalb Palästinas lebten. In der Antike waren religiöse Differenzen
der Grund. Die soziale Absonderung der Juden und ihre Ablehnung der Götter,
die andere Völker verehrten, führten zu Ressentiments. Für die Römer war die
Weigerung, den Kaiser als Gott zu sehen, ein Mangel an Patriotismus.
Die meisten Juden lehnten die neue Religion, das
Christentum, ab. Um das vierte Jahrhundert begannen die Christen, die Juden
als "Christusmörder" oder "Gottesmörder" zu bezeichnen, da sie Jesus
gekreuzigt hätten. Da die Juden Christus und seine Kirche nicht anerkannten,
hätten sie ihr Heimatland verloren und seien zur ewigen Wanderung verdammt.
Als das Christentum im Römischen Reich Staatsreligion wurde, regten viele
Kirchenführer kaiserliche Gesetze an, um Juden und Christen zu trennen und
jüdische religiöse Rechte zu beschneiden, die die Dominanz der christlichen
Religion zu bedrohen schienen.
Im europäischen Mittelalter wurde den Juden das
Bürgerrecht verweigert, sie waren von Karrieren in Regierung und Militär
ausgeschlossen, ebenso von der Mitgliedschaft in den Zünften, sie durften
kein Land besitzen und kein Handwerk ausüben. Im 12. Jahrhundert kamen die
Verleumdungen des Ritualmordes und der Hostienschändungen auf. Juden würden
das Blut christlicher Kinder benützen, um die Matzot für Pessach zu backen.
Diese Ritualmordlegenden blieben über die Jahrhunderte hinweg am Leben und
tauchten immer wieder in verschiedenen osteuropäischen Ländern auf. In den
Dreißigerjahren waren sie Teil der antisemitischen nationalsozialistischen
Propaganda. Auch der "Gelbe Fleck", der im Mittelalter seinen Träger als
Juden auswies, wurde von den Nazis übernommen. Die Trennung der jüdischen
Bevölkerung eines Ortes von den Christen und ihre Verbannung in eigene
Stadtviertel (Ghetto) wurde in vielen europäischen Ländern bis ins 19. und
20. Jahrhundert praktiziert.
Im Spätmittelalter erlebte die europäische Wirtschaft
einen Aufschwung, und viele Juden wurden führend in Handel, Bankwesen und
Geldverleih. Die Folge war, dass der wirtschaftliche Erfolg der Juden den
Neid der Bevölkerung erregte. Dieses wirtschaftliche Vorurteil wurde mit dem
religiösen verbunden und führte zur Vertreibung der Juden aus verschiedenen
Ländern und Regionen. (1290 England; 14. Jahrhundert Frankreich; um 1350
Deutschland; 1496 Portugal; 1512 Provence; 1569 päpstliche Staaten.) Die
Verfolgungen durch die spanische Inquisition erreichten 1492 ihren
Höhepunkt. Juden wurden verbrannt oder gezwungen, aus einem Land zu
flüchten, in dem viele hundert Jahre lang Juden, Christen und Moslems zum
Wohl aller zusammengelebt hatten. Nur Juden, die die Taufe annahmen, wurde
erlaubt, zu bleiben. Nach den Vertreibung der Juden aus Spanien und den
anderen Ländern verlagerten sich die Zentren jüdischen Lebens von Westeuropa
und Deutschland in die Türkei und später nach Polen und Russland.
Das Ende des Mittelalters brachte für die Juden keine
Veränderung zum Besseren. Die Gegenreformation erneuerte antijüdische
Gesetzgebung und erzwang in katholischen Ländern die Verbannung von Juden in
Ghettos. Juden blieben weiterhin Opfer von gelegentlichen Massakern, wie sie
zum Beispiel im 17. Jahrhundert in Osteuropa stattfanden und sogar die
Massaker der Kreuzfahrer an den Juden (1096, als die rheinischen
Judengemeinden ausgerottet wurden) übertrafen. Bis ins späte 18.
Jahrhundert, als die Aufklärung und die Französische Revolution Europa eine
neue religiöse Freiheit brachten, kam es immer wieder zu Judenverfolgungen.
Damals erhielten die Juden in Frankreich und anderen westeuropäischen
Ländern die Bürgerrechte. Emanzipation und Assimilation brachten
wirtschaftliche und kulturelle Erfolge, die wiederum Neid und Feindseligkeit
erweckten. Mit dem Aufstieg des Nationalismus im 19. Jahrhundert erhielt der
Antisemitismus einen "rassischen" Charakter, als die "fremden jüdischen
Elemente" inmitten der "ethnisch einheitlichen" Völker in Verruf gebracht
wurden. Pseudowissenschaftliche Rassentheorien stellten fest, die Juden
seien gegenüber den sogenannten "arischen Rassen" minderwertig, und gaben
somit dem Antisemitismus neue Nahrung. In Deutschland und Österreich wurde
der Antisemitismus eine organisierte Bewegung mit eigenen politischen
Parteien.
Das Russische Reich beschränkte die Juden auf die
westlichen Regionen, dem "Ansiedlungsrayon", vor allem, seit die Teilungen
Polens eine große Zahl von Juden unter russische Herrschaft gebracht hatten.
Die Maigesetze von 1882, die nach den 1881-Pogromen im Ansiedlungsrayon
erlassen worden waren, nahmen den Juden ihre ländlichen Besitztümer und
reduzierten ihre Siedlungsmöglichkeiten auf die Städte. Diese Maßnahmen
zerstörten die jüdischen Aktivitäten als Händler und Handwerker und erhöhten
in den nächsten vier Jahrzehnten die jüdische Auswanderung in die
Vereinigten Staaten. Andere Juden emigrierten nach Westeuropa oder nach
Palästina.
In Frankreich stand die Dreyfus-Affäre im Mittelpunkt des
Antisemitismus. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ging der
Antisemitismus in Europa etwas zurück. In Russland jedoch kam es 1903 und
1905 zu Pogromen in Kischinew. Außerdem veröffentlichte die russische
Geheimpolizei das gefälschte Dokument "Die Protokolle der Weisen von Zion",
in dem den Juden vorgeworfen wird, sie schmiedeten Komplotte, um die
Weltherrschaft zu erlangen. Die wirtschaftlichen und politischen
Beeinträchtigungen nach dem Ersten Weltkrieg intensivierten den
Antisemitismus in Europa. Jüdische Führer der Russischen Revolution von 1917
vermehrten die antisemitischen Vorurteile um das der "Bedrohung durch den
jüdischen Bolschewismus". In Deutschland wurde den Juden die Schuld an der
Niederlage gegeben. Auch in Osteuropa, besonders in Polen, Ungarn und
Rumänien, stieg der Antisemitismus als Folge des Ersten Weltkrieges.
Der tobende und gewalttätige Antisemitismus, der von
Nazideutschland unter der Führung Adolf Hitlers 1933 bis 1945 losgelassen
wurde, erreichte nicht nur in Deutschland selbst einen erschreckenden Grad,
sondern inspirierte auch antijüdische Bewegungen in anderen Ländern. Das
neue Merkmal des nationalsozialistischen Antisemitismus war, dass er
Klassenschranken überschritt. Die Idee der rassischen Überlegenheit der
Arier appellierte an die Massen ebenso wie an die wirtschaftliche und
gesellschaftliche Elite. Antisemitismus wurde offizielle Politik, in Schulen
gelehrt, in "wissenschaftlichen" Zeitschriften und Instituten erforscht und
von einer riesigen, hochwirksamen Propagandamaschinerie verbreitet. 1941
befahl Hitler die Vernichtung des europäischen Judentums. Sechs Millionen
Juden wurden in den Todeslagern der Nazis ermordet.
Nach der Niederlage Nazideutschlands, 1945, verlor der
Antisemitismus in Westeuropa und in den Vereinigten Staaten an Boden.
Entwicklungen in der Sowjetunion und im Nahen Osten gaben ihm jedoch in
diesen Gebieten neue Bedeutung. Der Sowjetführer Josef Stalin starb 1953,
bevor er eine Verfolgung der Juden vom Zaun brechen konnte, antisemitische
Diskriminierung blieb jedoch ein Merkmal der sowjetischen und
kommunistischen Gesellschaften.
Viele Jahrhunderte lang hatte der Islam die Juden
toleriert, obwohl sie spezielle Steuern zahlen und identifizierende Kleidung
tragen mussten. Die Moslems behandelten Juden gleich wie alle anderen
Ungläubigen, als "beschütztes Volk". Die jüdische Masseneinwanderung in
Palästina und die Gründung des Staates Isräl führten in der arabischen Welt
zur neün Formen der Feindseligkeiten gegenüber Juden und Isräl. Arabische
Regierungen bemerken im allgemeinen, es könne unter den Arabern keinen
Antisemitismus geben, da sie selbst "Semiten" seien. Diese Bemerkung geht
jedoch am wirklichen Problem vorbei. Arabisch ist zweifellos eine semitische
Sprache, und die europäischen Erfinder der Rassentheorie und der
"semitischen Rasse" hätten auch die Araber in ihre Theorie mit einbeziehen
müssen.
Aber Antisemitismus bedeutet vor allem antijüdische bzw.
anti-zionistische Vorurteile. Auch in der arabischen Geschichte gibt es
Pogrome, Verfolgungen, antijüdische Gewaltausbrüche, von denen einige durch
den israelisch-arabischen Konflikt ausgelöst wurden. Auch im arabischen
Antisemitismus gibt es die Ritualmordlüge und den Glauben an die jüdische
Weltherrschaft. Die Propaganda der Nazis reichte bis in die arabischen
Länder. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde beispielsweise in Ägypten und
Syrien mit Hilfe deutscher Nazi-Experten antisemitische Literatur weiterhin
gedruckt und verbreitet. Antijüdische Karikaturen, die denen des "Stürmer"
ähnlich sind, erschienen in der arabischen Presse, Hitlers "Mein Kampf" kann
in arabischer Sprache gelesen werden, ebenso die "Protokolle der Weisen von
Zion". Antisemitische Vorurteile finden sich in Schulbüchern und in
Materialen des Militärs. Die arabische Führung vermeidet es, solche
Vorurteile zu zeigen und betonte in den vergangenen Jahren, sie würden nur
den Zionismus und Isräl bekämpfen und nicht die Juden. Antijüdische
Klischees tauchen aber immer wieder in Reden arabischer politischer und
religiöser Führer wie in der Presse auf.
Glossar des Pädagogikzentrums der Jewish Agency
hagalil.com 2007
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