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Aktenzeichen: 58 II 5506/50:
Das Schicksal der Anja Schaul

Die am 5. Juni 1906 in Berlin geborene deutsch-jüdische Kinder- und Jugendbuchautorin Ruth Rewald (Rewald ist ihr Geburtsname. Nach ihrer Ehe nahm sie den Familiennamen ihres Mannes, Schaul, an. Ihre Bücher veröffentlichte sie aber weiter unter dem Namen Rewald.) wurde im Rahmen der Großrazzia "rafle du Vel' d'Hiv, die Teil der "Operation vent printanier" und "Operation écume de mer" zur "ehebaldigsten restlosen Freimachung Frankreichs von Juden" war, am 17. Juli 1942 in Les Rosiers-sur-Loire verhaftet und am 20. Juni 1942 mit dem Zug nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Nicht ganz zwei Jahre später ereilt ihre Tochter, die am 16. Mai 1937 in Pariser Exil geborene Anja Schaul, das Schicksal ihrer Mutter.

Von Dirk Krüger

Als die westlichen Alliierten am 6. Juni 1944 mit der Landung in der Normandie die "zweite Front" eröffnen, der Kampf der Résistance in eine allgemeine bewaffnete Volkserhebung umschlägt und die Macht der Vichy-Regierung zusammenbricht - da kommt das für das Kind von Ruth (Rewald) und Hans Schaul, für ihre Tochter Anja, ebenso zu spät wie für die 41 Kinder aus dem Kinderheim Izieu-Ain, die auf Befehl von Klaus Barbie, gefangen genommen, am 7.4. 1944 zunächst nach Drancy gebracht und von dort nach Auschwitz deportiert werden.

Anja erlebt nicht mehr die Ereignisse in Oradour-sur-Glane am 10. Juni 1944, auch nicht das rasche Vorrücken der alliierten Truppen auf Paris ab August 1944. Sie erlebt nicht mehr die große Siegesfeier über die deutschen Okkupanten, die am 24. August 1944 mit einer Parade französischer Truppen unter dem Befehl des Generals Leclerc über den Boulevard Montparnasse eröffnet wird.

Für Anja und ihr junges Leben, wie für tausende andere Kinder kommt das alles zu spät.

Als man ihre Mutter verhaftet und nach Auschwitz deportiert hatte, blieb sie zunächst bei der "netten Nachbarin". Das war nicht außergewöhnlich. Barbara Bromberger und Hans Mausbach bemerken dazu: "In vielen Fällen wurden die Familien schon am ursprünglichen Wohnort getrennt. Die Kinder blieben als Waisen zurück, fanden zum Teil zunächst Unterschlupf bei Freunden, Verwandten, ihnen Wohlgesinnten, wurden jedoch meist später wieder 'erfasst'."

In einem Brief von Anjas damaliger Lehrerin, Frau Renée Le Moine, findet sich eine Bestätigung für diese Aussage und weitere Einzelheiten. Er enthält eine authentische Schilderung der Vorgänge um Anja, die in ihrer anrührenden Unmittelbarkeit kommentarlos dokumentiert werden soll. Sie schreibt:

"Ihre (gemeint ist Frau Schaul, d.i. Ruth Rewald) kleine Tochter ging zuerst in eine Privatschule (eine so genannte freie, eine kirchliche und kostspielige) - aber nur für eine kurze Zeit. Ich meine, Anja kam Anfang des Schuljahres 1941/42 in meine "Kleinkindklasse". Dank ihrer schnellen Auffassungsgabe konnte sie sich schnell in die Gruppe der Erstklässler einfügen. Sie lernte lesen, obwohl sie erst vier Jahre und ein paar Monate alt war. Sie übersprang dann die 2. Klasse und ging zu meiner Kollegin in die 3. Klasse, wo sie Klassenbeste wurde. Wie das für ihre Zukunft sprach! ...

Sie kam nicht direkt zu mir. Als Frau Schaul festgenommen wurde, breitete Frau Tessier, eine inzwischen verstorbene Nachbarin, theatralisch die Arme nach dem Kinde und nahm es zu sich. Ich habe sie besucht und am Loire-Strand getroffen, wo wir die Sommernachmittage verbrachten. Sie sprach schwülstig. Ich war eher schweigsam und misstrauisch. Zum Schulanfang 1942 fühlte ich, wie sie mir freundlicher wurde. Sie fragte, warum ich nicht Anja zu mir nähme. Ich habe zugesagt. Und eines schönen Abends im Oktober brachte sie mir Anja mit einem Koffer, der nur einige Anziehsachen beinhaltete, und wenig liebenswürdige Worte. Sie gab mir auch Anjas Lebensmittelkarten, allerdings ohne die Fettmarken.

Diese Frau hat auch Frau Schauls Wohnung - ein Zimmer und eine kleine Küche - von ihren armseligen Sachen geleert. Ich weiß nicht, ob sie geschriebene Papiere gefunden hat. Für diese habgierige Frau war alles wertlos, was nicht verkäuflich war. Sie besaß die Unverschämtheit, der Familie Renaud, die Frau Schaul am Atlantik beherbergt hatte, die Quittung über die wenigen Kleidungsstücke Anjas, die sie mir gab, zu schicken. Ich besitze noch dieses Papier, das die Renauds mir gaben.

Eines Tages kamen aufgeregte Nachbarn zu mir und berichteten, wie Frau Tessier sich einen Klafter Holz - Frau Schauls Vorrat für den Winter - zu eigen machte. Sogar Frau Bougiau, die Frau des Bürgermeisters und Josettes Mutter, war erschüttert. Ich fand es aber vorsichtiger, nichts zu sagen und mich nicht zu rühren: ich hatte Angst vor dieser Frau, dass sie sich rächt und uns möglicherweise anzeigt.

Alle diese Einzelheiten sind schäbig. Es war aber Krieg mit all den Schwierigkeiten des Lebens."

Sie schildert im weiteren Verlauf des Briefes auch, wer ihr geholfen habe, das Kind über die Zeit zu bekommen. Sie schreibt:

"Die Leute, die mir halfen waren Herr und Frau Renaud (Sainte Anne - Loire - Atlantique). Sie hatten Frau Schaul während der Flucht nach Saint Nazaire beherbergt und die kleine Anja gepflegt. Sie haben sich immer um sie gesorgt, während sie bei mir war. Im Frühling 43 hat mich Frau Renaud besucht.

Frau Bougiau (Josette Geffards Mutter) gab mir Josettes alte Kleidchen und Unterwäsche. So konnte ich Anja kleiden.

Die Stadtverwaltung unterstützte mich, denn ich durfte mit Anja kostenlos zum Arzt gehen und das Schulessen (Mittagessen) war für sie kostenlos. Darüber hinaus habe ich aber keinerlei finanzielle Unterstützung bekommen. Es gab auch Widerstandskämpfer, die von den Deutschen zum Arbeitsdienst eingezogen waren und in deutschen Werkstätten in La Rochelle Anjas Kinderbett und Puppenmöbel angefertigt haben. Es waren Widerstandskämpfer aus Saumur, die ihr (kostenlos) das kleine blaue Fahrrad beschafft haben."

"Aber all dies zählt nicht viel im Vergleich zu dem Leid, das mir Anjas Schicksal bereitete. Ich habe lange geglaubt, sie käme zurück!

Mir fehlt der Mut zu schildern, wie am Morgen des 25. Januar 1944 die deutsche Polizei in unsere Schule eindrang, sowie unsere Betroffenheit zu beschreiben. Es war schwierig, zu leugnen. In diesem kleinen Städtchen kannte jeder den Aufenthalt Anjas bei ihrer Lehrerin. Wir wurden mit Sicherheit angezeigt, in dieser Zeit der Furcht und der Feigheit. Ich konnte mich dank eines Attestes des heute verstorbenen Arztes einen Monat krankschreiben lassen, um in Sachen Rettung von Anja Behördengänge zu machen, zum Kultusministerium, zum Polizeipräsidium, zur  Gestapo in Angers und dann auch in Paris. Aber es half nichts. Dann habe ich erfahren, dass Anjas Unglücksgefährten, Frau Keller und ihre drei Kinder, sich in Drancy um sie gekümmert haben. Aber die Abfahrt nach einem unbekannten Ziel sollte rasch folgen. Anja war verloren!

Ich kann nicht weiter schreiben. Entschuldigen Sie mich. Anbei einige Bilder und Briefe und meine ganze Trauer."

Anjas Vater erreichen unterdessen mit Datum vom 23. Oktober 1942 je eine Karte seiner Tochter und ihrer Lehrerin.

Anja schreibt ihm: "Mein liebes Papachen, Mama ist fort. Ich bin bei meiner Lehrerin. Ich weine nach meiner Mama. Meine Lehrerin nenne ich Mamette. Ich habe an Madame Renaud geschrieben. Ich habe eine schöne Puppe, die schlafen kann. Sie ist als Bretonin gekleidet. Ich kann schon ganz allein das Radio anstellen. Ich umarme Dich ganz fest."

Die Lehrerin schreibt am gleichen Tag: "Herr Schaul, bei Schulbeginn im Oktober habe ich Ihre hübsche kleine Tochter zu mir genommen. Sie wohnt jetzt bei mir und macht mir große Freude. Ich hoffe, Sie Ihnen erhalten zu können. Obwohl sie fließend liest, behalte ich sie dieses Jahr in meiner kleinen Vorschulklasse, wo die Arbeit noch ungebundener und fröhlicher ist. Sie wird Ihnen regelmäßig schreiben. Anja hat mir gesagt: 'Jetzt, wo ich bei ihnen bin, müssen sie meinem Papa auch Pakete schicken' ...und vieles andre mehr. Rauben Sie ihr nicht diese Freude und geben Sie mir die nötigen Hinweise, damit ich Ihnen von Zeit zu Zeit ein Päckchen schicken kann. Mir mangelt es nicht an Mehl und Brot. Madame Bougieau, die Frau des Bürgermeisters, interessiert sich sehr für Anja. Sie hat großzügigerweise ihre Wintersachen ergänzt. Anja hat sich über die warmen und schicken Sachen sehr gefreut. Sie können beruhigt über das Schicksal Ihrer lieben kleinen Tochter sein. Empfangen Sie meine besten Grüße."

Am 3. November 1942 schreibt die Lehrerin erneut an Hans Schaul. Darin teilt sie ihm mit: "Soeben habe ich die Karte gelesen, die Sie am 13. Oktober Herrn Bougiau geschrieben hatten. Ich versichere Ihnen, dass ich mich sehr freue, Ihre Kleine jetzt bei mir zu haben. Es ist nicht möglich, sie zu Ihren Freunden zu schicken. Frau Schaul hatte selbst darum gebeten, dass Anja zu mir kommt, falls sie Les Rosiers nicht verlassen darf. Und diesen Wunsch möchte ich respektieren. Frau Schaul verbrachte bei mir ihren letzten schönen Abend vom 14. Juli. Sie war glücklich, frei rauchen und erzählen zu können und teilte mir ihre Befürchtungen mit. Leider, drei Tage später ging sie fort. Anja wird von mir geliebt und verwöhnt. Ihre jetzige große Freude ist 'ihr kleines blaues Rad', ein richtiges, ganz überholt. Und heute Abend noch haben wir eine lange Spazierfahrt gemacht. Sie spricht oft von ihrer Mutti, aber ohne zu leiden. Sie lebt ganz in dem Augenblick - glücklicherweise - und kann sich nicht vorstellen, dass ihre Mutter unglücklich sein könnte. Ich grüße Sie herzlich."

Anja schreibt einen Tag später, am 4. November 1942, eine Karte an ihren Vater, die aber ebenfalls zurückkommt: "Mein liebes Papilein. Ich habe ein Fahrrad. Es ist blau. Es hat eine Bremse und eine schöne Klingel. Ich kann alleine fahren. Ich habe mein Dreirad bekommen und spiele im Hof. Ich will dir ein schönes Paket machen. Miquette hat meine Puppe kaputt gemacht. Ich umarme dich. Anja Schaul"

Mit Datum vom 14.7.1943 erreicht Hans Schaul schließlich ein Brief von Arthur M. Rewald, dem Vater von Ruth Rewald und Opa von Anja, der inzwischen nach England entkommen konnte. Er teilt ihm folgendes mit: "... Über das Rote Kreuz bekam ich vor einigen Tagen vom Bürgermeister von Les Rosiers die Nachricht, dass Anja bei bester Gesundheit ist. Es fehlt ihr nichts, sie ist bei der Schulleiterin geblieben. Ich versuchte, sie über das Rote Kreuz hierher nach England zu holen, aber sie empfahlen mir, zur Zeit nichts zu tun und ihr auch nicht zu schreiben, um das Kind nicht zu gefährden. So bin ich verpflichtet, stillzuhalten und möchte auch Dir ganz ernsthaft raten, ihr nicht zu schreiben, wenn das auch hart sein mag, seitdem Du weißt, wie es um Anja steht. Ich bin zuversichtlich, daß die Zeit nicht fern ist, in der wir bessere Mittel und Wege haben werden, um mit dem Kind, ihrer Pflegemutter und dem Bürgermeister Verbindung aufzunehmen."

Er berichtet über seine Bemühungen, etwas über Ruth Rewald zu erfahren: "Von oder über Ruth habe ich mehr als ein Jahr nichts gehört, trotzdem sich meine Rot-Kreuz-Recherchen gleichzeitig auf Anja und Ruth bezogen. Nur über Anja hörte ich etwas. Auch der Bürgermeister erwähnte Ruth mit keinem Wort. Wenn das bedeutet, dass sie sich irgendwo verborgen hält und deshalb niemand wünscht, auch nur ihren Namen zu erwähnen, um sie nicht zu gefährden ..., ich weiß es nicht. Aber ich klammere mich an diese Hoffnung, die einzige, die ich habe ..."

Während man also noch hofft, Ruth Rewald lebend wieder zu finden und versucht, etwas zur Rettung des Kindes zu tun, werden die Realitäten immer bedrohlicher.

Bereits am 21.7.1942 hatte der SS-Hauptsturmführer Dannecker in einem Vermerk die Frage aufgeworfen, wie mit den jüdischen Kindern in Frankreich zu verfahren sei: "Mit SS-Oberstrumbannführer Eichmann wurde die Frage des Kinderabschubs besprochen. Er entschied, dass, sobald der Abtransport in das Generalgouvernement wieder möglich ist, Kindertransporte rollen können."

Am 11.8.1942 richtet die Pariser Vernichtungsfiliale einen Brief an das Reichssicherheitshauptamt - IV B 4 - in Berlin. Er trägt den Vermerk: "Dringend, sofort vorlegen!" Darin heißt es:

"Betr.: Abtransport von Juden nach Auschwitz; hier Abschub der Judenkinder.
Vorg.: Ohne

Da in der Festnahme von Juden vorrübergehend eine Stockung eintritt, beabsichtige ich, ab 17.8.1942 die z.Zt. in den Lagern Pithiviers und Beaune-la-Rolande untergebrachten Kinder zum Abtransport zu bringen. Ich bitte um dringende Mitteilung, ob und in welcher Weise der Abtransport der Kinder erfolgen kann."

Bereits am 13.8.1942 liegt die Antwort vor:

"An den BDS. Der SiPo und des SD in Bereich Bereich des Militärbefehlshabers in Frankreich, Paris

G E H E I M  -- DRINGEND.--

Betr.: Abtransport von Juden nach Auschwitz, dort Abschub der Judenkinder.--

Bezug: Dort. FS.-Bericht v. 11.8.42 ROEM. 4J.--

Die in den Lagern Pithiviers und Beaune-la-Rolande untergebrachten jüdischen Kinder können nach und nach auf die vorgesehenen Transporte nach Auschwitz aufgeteilt werden. Geschlossene Kindertransporte sind jedoch keinesfalls (Unterstr.) auf den Weg zu bringen."

Ab diesem Zeitpunkt gibt es in regelmäßiger Folge Schreiben wie das folgende:

"Paris den ....

Dringend, sofort vorlegen!

An das
Reichssicherheitshauptamt, Referat IV B 4
z.Hd. SS-Obersturmbannführer EICHMANN, o.V.i....
Berlin

An den
Inspekteur der Konzentrationslager
in Oranienburg

An das
Konzentrationslager
in  A u s c h w i t z

Am ..., ... Uhr hat Transportzug Nr. D. ... den Abgangsbahnhof Le Bourget-Drancy in Richtung Auschwitz mit insgesamt ... Juden verlassen.

(Darunter .... Kinder)

Der erfaßte Personenkreis entspricht den gegebenen Richtlinien.

Transportführer ist Stabsfeldwebel ..........., dem die namentliche Transportliste in zweifacher Ausfertigung mitgegeben wurde.

Mitgegeben Verpflegung wie üblich pro Jude für 14 Tage."

Das einzige, was sich bei den Schreiben ändert, das ist das Datum, die Uhrzeit, der Transportführer, die Zahl der Kinder und die Unterschrift. Und als die Lager von Pithiviers und Beaune-la-Rolande geräumt sind, gehen die Greifkommandos erneut auf Jagd, beschaffen neues Menschenmaterial für die Gaskammern und Verbrennungsöfen.

Und so kommen sie auch am Morgen des 25. Januar 1944 nach Les Rosiers-sur-Loire in die Schule zu Frau Le Moine und holen Anja. Auch sie wird ins Lager Drancy gebracht. Auf der "Transportliste in zweifacher Ausfertigung" wird sie zur Nummer 1201. Als Beruf ist angegeben: Schülerin. Am 10.2.1944 rollt sie in einem Viehwaggon eingesperrt nach Auschwitz. Und auch an diesem Tag gehen wieder drei Briefe ab.

Unmittelbar nach Kriegsende forscht Heiner Rau, der die Folterungen im KZ Mauthausen überlebt und entscheidende Wegstrecken mit Ruth, Anja und Hans Schaul durchschritten hat und inzwischen Vizepräsident der Mark Brandenburg geworden ist, nach Anja. Er kennt zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Aussage von Oberjustizrat L.N. Smirnow, dem Hilfsankläger für die Sowjetunion, die dieser vor dem Nürnberger Tribunal auf der Sitzung des 18. Februar 1946 gemacht hatte. Er legte u.a. den "Bericht der Außerordentlichen Staatlichen Kommission über die ungeheuerlichen Verbrechen der Deutschen Regierung in Auschwitz" vor. Er zitiert daraus: "Unter den befreiten Auschwitzgefangenen, die ärztlich untersucht wurden, befanden sich 180 Kinder, von denen 52 unter 8 Jahren und 128 zwischen 8 und 15 Jahren waren." Anja war nicht unter diesen Kindern.

Mit Brief vom 17. August 1946 erhält Heiner Rau von Louise Pollnow die Gewißheit: "Leider ist es unmöglich gewesen, das unglückliche Kind wieder zu finden. Es wurde am 25. Januar 1944 von den Barbaren aus der Schule geholt, ins Gefängnis nach Angers gebracht, von dort ins Judenlager nach Drancy und am 10. Februar 1944 nach Deutschland deportiert. Der Kummer der damaligen Pflegemutter, Mlle Le Moine, Les Rosiers sur Loire, Maine et Loire, und der meine waren sehr groß. Aber wir waren ja absolut unfähig, Anja zu retten. Die unglückliche Ruth wurde im Juli 1942 abgeholt und ist seither verschollen."

Mit Datum 11. Juli 1951 erhält Hans Schaul eine Mitteilung des Amtsgerichts Berlin-Mitte, Abteilung 58. Darin heißt es:

"In der Todeserklärungssache Anja Schaul ist der Beschluß vom 29. Mai 1951 rechtskräftig geworden."

Der Vorgang bekommt das Aktenzeichen: 58 II 5506/50.

Dirk Krüger promovierte mit der Arbeit "Die deutsch-jüdische Kinder- und Jugendbuchautorin Ruth Rewald und die Kinder- und Jugendliteratur im Exil". Er ist Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des "Studienkreises Deutscher Widerstand" in Frankfurt am Main, und arbeitet zu Widerstand, insbesondere zum jüdischen Widerstand gegen den Faschismus.

Dirk Krüger ist Herausgeber der Bücher:

Ruth Rewald: Vier spanische Jungen, Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1987, ISBN 3-87682-838-4

Ruth Rewald: Janko - Der Junge aus Mexiko, Arco Verlag Wuppertal 2007, ISBN 978-3-938375-19-8

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