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Das Schicksal der Anja Schaul
Die am 5. Juni 1906 in
Berlin geborene deutsch-jüdische Kinder- und Jugendbuchautorin Ruth Rewald
(Rewald ist ihr Geburtsname. Nach ihrer Ehe nahm sie den Familiennamen ihres
Mannes, Schaul, an. Ihre Bücher veröffentlichte sie aber weiter unter dem
Namen Rewald.) wurde im Rahmen der Großrazzia "rafle du Vel' d'Hiv, die Teil
der "Operation vent printanier" und "Operation écume de mer" zur
"ehebaldigsten restlosen Freimachung Frankreichs von Juden" war, am 17. Juli
1942 in Les Rosiers-sur-Loire verhaftet und am 20. Juni 1942 mit dem Zug
nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Nicht ganz zwei Jahre später
ereilt ihre Tochter, die am 16. Mai 1937 in Pariser Exil geborene Anja
Schaul, das Schicksal ihrer Mutter.
Von Dirk Krüger
Als die westlichen
Alliierten am 6. Juni 1944 mit der Landung in der Normandie die "zweite
Front" eröffnen, der Kampf der Résistance in eine allgemeine bewaffnete
Volkserhebung umschlägt und die Macht der Vichy-Regierung zusammenbricht -
da kommt das für das Kind von Ruth (Rewald) und Hans Schaul, für ihre
Tochter Anja, ebenso zu spät wie für die 41 Kinder aus dem Kinderheim
Izieu-Ain, die auf Befehl von Klaus Barbie, gefangen genommen, am 7.4. 1944
zunächst nach Drancy gebracht und von dort nach Auschwitz deportiert werden.
Anja erlebt nicht mehr die Ereignisse in Oradour-sur-Glane am 10. Juni 1944,
auch nicht das rasche Vorrücken der alliierten Truppen auf Paris ab August
1944. Sie erlebt nicht mehr die große Siegesfeier über die deutschen
Okkupanten, die am 24. August 1944 mit einer Parade französischer Truppen
unter dem Befehl des Generals Leclerc über den Boulevard Montparnasse
eröffnet wird.
Für Anja und ihr junges
Leben, wie für tausende andere Kinder kommt das alles zu spät.
Als man ihre Mutter
verhaftet und nach Auschwitz deportiert hatte, blieb sie zunächst bei der
"netten Nachbarin". Das war nicht außergewöhnlich. Barbara Bromberger und
Hans Mausbach bemerken dazu: "In vielen Fällen wurden die Familien schon am
ursprünglichen Wohnort getrennt. Die Kinder blieben als Waisen zurück,
fanden zum Teil zunächst Unterschlupf bei Freunden, Verwandten, ihnen
Wohlgesinnten, wurden jedoch meist später wieder 'erfasst'."
In einem Brief von
Anjas damaliger Lehrerin, Frau Renée Le Moine, findet sich eine Bestätigung
für diese Aussage und weitere Einzelheiten. Er enthält eine authentische
Schilderung der Vorgänge um Anja, die in ihrer anrührenden Unmittelbarkeit
kommentarlos dokumentiert werden soll. Sie schreibt:
"Ihre (gemeint ist Frau Schaul, d.i. Ruth Rewald) kleine Tochter ging zuerst
in eine Privatschule (eine so genannte freie, eine kirchliche und
kostspielige) - aber nur für eine kurze Zeit. Ich meine, Anja kam Anfang des
Schuljahres 1941/42 in meine "Kleinkindklasse". Dank ihrer schnellen
Auffassungsgabe konnte sie sich schnell in die Gruppe der Erstklässler
einfügen. Sie lernte lesen, obwohl sie erst vier Jahre und ein paar Monate
alt war. Sie übersprang dann die 2. Klasse und ging zu meiner Kollegin in
die 3. Klasse, wo sie Klassenbeste wurde. Wie das für ihre Zukunft sprach!
...
Sie kam nicht direkt zu
mir. Als Frau Schaul festgenommen wurde, breitete Frau Tessier, eine
inzwischen verstorbene Nachbarin, theatralisch die Arme nach dem Kinde und
nahm es zu sich. Ich habe sie besucht und am Loire-Strand getroffen, wo wir
die Sommernachmittage verbrachten. Sie sprach schwülstig. Ich war eher
schweigsam und misstrauisch. Zum Schulanfang 1942 fühlte ich, wie sie mir
freundlicher wurde. Sie fragte, warum ich nicht Anja zu mir nähme. Ich habe
zugesagt. Und eines schönen Abends im Oktober brachte sie mir Anja mit einem
Koffer, der nur einige Anziehsachen beinhaltete, und wenig liebenswürdige
Worte. Sie gab mir auch Anjas Lebensmittelkarten,
allerdings ohne die Fettmarken.
Diese Frau hat auch Frau Schauls Wohnung - ein Zimmer und eine kleine Küche
- von ihren armseligen Sachen geleert. Ich weiß nicht, ob sie geschriebene
Papiere gefunden hat. Für diese habgierige Frau war alles wertlos, was nicht
verkäuflich war. Sie besaß die Unverschämtheit, der Familie Renaud, die Frau
Schaul am Atlantik beherbergt hatte, die Quittung über die wenigen
Kleidungsstücke Anjas, die sie mir gab, zu schicken. Ich besitze noch dieses
Papier, das die Renauds mir gaben.
Eines Tages kamen aufgeregte Nachbarn zu mir und berichteten, wie Frau
Tessier sich einen Klafter Holz - Frau Schauls Vorrat für den Winter - zu
eigen machte. Sogar Frau Bougiau, die Frau des Bürgermeisters und Josettes
Mutter, war erschüttert. Ich fand es aber vorsichtiger, nichts zu sagen und
mich nicht zu rühren: ich hatte Angst vor dieser Frau, dass sie sich rächt
und uns möglicherweise anzeigt.
Alle diese Einzelheiten sind schäbig. Es war
aber Krieg mit all den Schwierigkeiten des Lebens."
Sie schildert im
weiteren Verlauf des Briefes auch, wer ihr geholfen habe, das Kind über die
Zeit zu bekommen. Sie schreibt:
"Die Leute, die mir halfen waren Herr und Frau Renaud (Sainte Anne - Loire -
Atlantique). Sie hatten Frau Schaul während der Flucht nach Saint Nazaire
beherbergt und die kleine Anja gepflegt. Sie haben sich immer um sie
gesorgt, während sie bei mir war. Im Frühling 43 hat mich Frau Renaud
besucht.
Frau Bougiau (Josette Geffards Mutter) gab mir Josettes alte Kleidchen und
Unterwäsche. So konnte ich Anja kleiden.
Die Stadtverwaltung
unterstützte mich, denn ich durfte mit Anja kostenlos zum Arzt gehen und das
Schulessen (Mittagessen) war für sie kostenlos. Darüber hinaus habe ich aber
keinerlei finanzielle Unterstützung bekommen. Es gab auch
Widerstandskämpfer, die von den Deutschen zum Arbeitsdienst eingezogen waren
und in deutschen Werkstätten in La Rochelle Anjas Kinderbett und Puppenmöbel
angefertigt haben. Es waren Widerstandskämpfer aus Saumur, die ihr
(kostenlos) das kleine blaue Fahrrad beschafft haben."
"Aber all dies zählt nicht viel im Vergleich zu dem Leid, das mir Anjas
Schicksal bereitete. Ich habe lange geglaubt, sie käme zurück!
Mir fehlt der Mut zu
schildern, wie am Morgen des 25. Januar 1944 die deutsche Polizei in unsere
Schule eindrang, sowie unsere Betroffenheit zu beschreiben. Es war
schwierig, zu leugnen. In diesem kleinen Städtchen kannte jeder den
Aufenthalt Anjas bei ihrer Lehrerin. Wir wurden mit Sicherheit angezeigt, in
dieser Zeit der Furcht und der Feigheit. Ich konnte mich dank eines Attestes
des heute verstorbenen Arztes einen Monat krankschreiben lassen, um in
Sachen Rettung von Anja Behördengänge zu machen, zum Kultusministerium, zum
Polizeipräsidium, zur Gestapo in Angers und dann auch in Paris. Aber
es half nichts. Dann habe ich erfahren, dass Anjas Unglücksgefährten, Frau
Keller und ihre drei Kinder, sich in Drancy um sie gekümmert haben. Aber die
Abfahrt nach einem unbekannten Ziel sollte rasch folgen. Anja war verloren!
Ich kann nicht weiter schreiben.
Entschuldigen Sie mich. Anbei einige Bilder und Briefe und meine ganze
Trauer."
Anjas Vater erreichen unterdessen mit Datum vom 23. Oktober 1942 je eine
Karte seiner Tochter und ihrer Lehrerin.
Anja schreibt ihm: "Mein liebes Papachen, Mama ist fort. Ich bin bei meiner
Lehrerin. Ich weine nach meiner Mama. Meine Lehrerin nenne ich Mamette. Ich
habe an Madame Renaud geschrieben. Ich habe eine schöne Puppe, die schlafen
kann. Sie ist als Bretonin gekleidet. Ich kann schon ganz allein das Radio
anstellen. Ich umarme Dich ganz fest."
Die Lehrerin schreibt
am gleichen Tag: "Herr Schaul, bei Schulbeginn im Oktober habe ich Ihre
hübsche kleine Tochter zu mir genommen. Sie wohnt jetzt bei mir und macht
mir große Freude. Ich hoffe, Sie Ihnen erhalten zu können. Obwohl sie
fließend liest, behalte ich sie dieses Jahr in meiner kleinen
Vorschulklasse, wo die Arbeit noch ungebundener und fröhlicher ist. Sie wird
Ihnen regelmäßig schreiben. Anja hat mir gesagt: 'Jetzt, wo ich bei ihnen
bin, müssen sie meinem Papa auch Pakete schicken' ...und vieles andre mehr.
Rauben Sie ihr nicht diese Freude und geben Sie mir die nötigen Hinweise,
damit ich Ihnen von Zeit zu Zeit ein Päckchen schicken kann. Mir mangelt es
nicht an Mehl und Brot. Madame Bougieau, die Frau des Bürgermeisters,
interessiert sich sehr für Anja. Sie hat großzügigerweise ihre Wintersachen
ergänzt. Anja hat sich über die warmen und schicken Sachen sehr gefreut. Sie
können beruhigt über das Schicksal Ihrer lieben kleinen Tochter sein.
Empfangen Sie meine besten Grüße."
Am 3. November 1942
schreibt die Lehrerin erneut an Hans Schaul. Darin teilt sie ihm mit:
"Soeben habe ich die Karte gelesen, die Sie am 13. Oktober Herrn Bougiau
geschrieben hatten. Ich versichere Ihnen, dass ich mich sehr freue, Ihre
Kleine jetzt bei mir zu haben. Es ist nicht möglich, sie zu Ihren Freunden
zu schicken. Frau Schaul hatte selbst darum gebeten, dass Anja zu mir kommt,
falls sie Les Rosiers nicht verlassen darf. Und diesen Wunsch möchte ich
respektieren. Frau Schaul verbrachte bei mir ihren letzten schönen Abend vom
14. Juli. Sie war glücklich, frei rauchen und erzählen zu können und teilte
mir ihre Befürchtungen mit. Leider, drei Tage später ging sie fort. Anja
wird von mir geliebt und verwöhnt. Ihre jetzige große Freude ist 'ihr
kleines blaues Rad', ein richtiges, ganz überholt. Und heute Abend noch
haben wir eine lange Spazierfahrt gemacht. Sie spricht oft von ihrer Mutti,
aber ohne zu leiden. Sie lebt ganz in dem Augenblick - glücklicherweise -
und kann sich nicht vorstellen, dass ihre Mutter unglücklich sein könnte.
Ich grüße Sie herzlich."
Anja schreibt einen Tag später, am 4. November 1942, eine Karte an ihren
Vater, die aber ebenfalls zurückkommt: "Mein liebes Papilein. Ich habe ein
Fahrrad. Es ist blau. Es hat eine Bremse und eine schöne Klingel. Ich kann
alleine fahren. Ich habe mein Dreirad bekommen und spiele im Hof. Ich will
dir ein schönes Paket machen. Miquette hat meine Puppe kaputt gemacht. Ich
umarme dich. Anja Schaul"
Mit Datum vom 14.7.1943
erreicht Hans Schaul schließlich ein Brief von Arthur M. Rewald, dem Vater
von Ruth Rewald und Opa von Anja, der inzwischen nach England entkommen
konnte. Er teilt ihm folgendes mit: "... Über das Rote Kreuz bekam ich vor
einigen Tagen vom Bürgermeister von Les Rosiers die Nachricht, dass Anja bei
bester Gesundheit ist. Es fehlt ihr nichts, sie ist bei der Schulleiterin
geblieben. Ich versuchte, sie über das Rote Kreuz hierher nach England zu
holen, aber sie empfahlen mir, zur Zeit nichts zu tun und ihr auch nicht zu
schreiben, um das Kind nicht zu gefährden. So bin ich verpflichtet,
stillzuhalten und möchte auch Dir ganz ernsthaft raten, ihr nicht zu
schreiben, wenn das auch hart sein mag, seitdem Du weißt, wie es um Anja
steht. Ich bin zuversichtlich, daß die Zeit nicht fern ist, in der wir
bessere Mittel und Wege haben werden, um mit dem Kind, ihrer Pflegemutter
und dem Bürgermeister Verbindung aufzunehmen."
Er berichtet über seine
Bemühungen, etwas über Ruth Rewald zu erfahren: "Von oder über Ruth habe ich
mehr als ein Jahr nichts gehört, trotzdem sich meine Rot-Kreuz-Recherchen
gleichzeitig auf Anja und Ruth bezogen. Nur über Anja hörte ich etwas. Auch
der Bürgermeister erwähnte Ruth mit keinem Wort. Wenn das bedeutet, dass sie
sich irgendwo verborgen hält und deshalb niemand wünscht, auch nur ihren
Namen zu erwähnen, um sie nicht zu gefährden ..., ich weiß es nicht. Aber
ich klammere mich an diese Hoffnung, die einzige, die ich habe ..."
Während man also noch hofft, Ruth Rewald lebend wieder zu finden und
versucht, etwas zur Rettung des Kindes zu tun, werden die Realitäten immer
bedrohlicher.
Bereits am 21.7.1942 hatte der SS-Hauptsturmführer Dannecker in einem
Vermerk die Frage aufgeworfen, wie mit den jüdischen Kindern in Frankreich
zu verfahren sei: "Mit SS-Oberstrumbannführer Eichmann wurde die Frage des
Kinderabschubs besprochen. Er entschied, dass, sobald der Abtransport in das
Generalgouvernement wieder möglich ist, Kindertransporte rollen können."
Am 11.8.1942 richtet
die Pariser Vernichtungsfiliale einen Brief an das Reichssicherheitshauptamt
- IV B 4 - in Berlin. Er trägt den Vermerk: "Dringend, sofort vorlegen!"
Darin heißt es:
"Betr.: Abtransport von Juden nach Auschwitz; hier Abschub der Judenkinder.
Vorg.: Ohne
Da in der Festnahme von Juden vorrübergehend
eine Stockung eintritt, beabsichtige ich, ab 17.8.1942 die z.Zt. in den
Lagern Pithiviers und Beaune-la-Rolande untergebrachten Kinder zum
Abtransport zu bringen. Ich bitte um dringende Mitteilung, ob und in welcher
Weise der Abtransport der Kinder erfolgen kann."
Bereits am 13.8.1942 liegt die Antwort vor:
"An den BDS. Der SiPo und des SD in Bereich
Bereich des Militärbefehlshabers in Frankreich, Paris
G E H E I M --
DRINGEND.--
Betr.: Abtransport von Juden nach Auschwitz, dort Abschub der Judenkinder.--
Bezug: Dort. FS.-Bericht v. 11.8.42 ROEM. 4J.--
Die in den Lagern Pithiviers und
Beaune-la-Rolande untergebrachten jüdischen Kinder können nach und nach auf
die vorgesehenen Transporte nach Auschwitz aufgeteilt werden. Geschlossene
Kindertransporte sind jedoch keinesfalls (Unterstr.) auf den Weg zu
bringen."
Ab diesem Zeitpunkt
gibt es in regelmäßiger Folge Schreiben wie das folgende:
"Paris den ....
Dringend, sofort vorlegen!
An das
Reichssicherheitshauptamt, Referat IV B 4
z.Hd. SS-Obersturmbannführer EICHMANN, o.V.i....
Berlin
An den
Inspekteur der Konzentrationslager
in Oranienburg
An das
Konzentrationslager
in A u s c h w i t z
Am ..., ... Uhr hat
Transportzug Nr. D. ... den Abgangsbahnhof Le Bourget-Drancy in Richtung
Auschwitz mit insgesamt ... Juden verlassen.
(Darunter .... Kinder)
Der erfaßte
Personenkreis entspricht den gegebenen Richtlinien.
Transportführer ist Stabsfeldwebel ..........., dem die namentliche
Transportliste in zweifacher Ausfertigung mitgegeben wurde.
Mitgegeben Verpflegung wie üblich pro Jude
für 14 Tage."
Das einzige, was sich
bei den Schreiben ändert, das ist das Datum, die Uhrzeit, der
Transportführer, die Zahl der Kinder und die Unterschrift. Und als die Lager
von Pithiviers und Beaune-la-Rolande geräumt sind, gehen die Greifkommandos
erneut auf Jagd, beschaffen neues Menschenmaterial für die Gaskammern und
Verbrennungsöfen.
Und so kommen sie auch
am Morgen des 25. Januar 1944 nach Les Rosiers-sur-Loire in die Schule zu
Frau Le Moine und holen Anja. Auch sie wird ins Lager Drancy gebracht. Auf
der "Transportliste in zweifacher Ausfertigung" wird sie zur Nummer 1201.
Als Beruf ist angegeben: Schülerin. Am 10.2.1944 rollt sie in einem
Viehwaggon eingesperrt nach Auschwitz. Und auch an diesem Tag gehen wieder
drei Briefe ab.
Unmittelbar nach Kriegsende forscht Heiner Rau, der die Folterungen im KZ
Mauthausen überlebt und entscheidende Wegstrecken mit Ruth, Anja und Hans
Schaul durchschritten hat und inzwischen Vizepräsident der Mark Brandenburg
geworden ist, nach Anja. Er kennt zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Aussage
von Oberjustizrat L.N. Smirnow, dem Hilfsankläger für die Sowjetunion, die
dieser vor dem Nürnberger Tribunal auf der Sitzung des 18. Februar 1946
gemacht hatte. Er legte u.a. den "Bericht der Außerordentlichen Staatlichen
Kommission über die ungeheuerlichen Verbrechen der Deutschen Regierung in
Auschwitz" vor. Er zitiert daraus: "Unter den befreiten Auschwitzgefangenen,
die ärztlich untersucht wurden, befanden sich 180 Kinder, von denen 52 unter
8 Jahren und 128 zwischen 8 und 15 Jahren waren." Anja war nicht unter
diesen Kindern.
Mit Brief vom 17.
August 1946 erhält Heiner Rau von Louise Pollnow die Gewißheit: "Leider ist
es unmöglich gewesen, das unglückliche Kind wieder zu finden. Es wurde am
25. Januar 1944 von den Barbaren aus der Schule geholt, ins Gefängnis nach
Angers gebracht, von dort ins Judenlager nach Drancy und am 10. Februar 1944
nach Deutschland deportiert. Der Kummer der damaligen Pflegemutter, Mlle Le
Moine, Les Rosiers sur Loire, Maine et Loire, und der meine waren sehr groß.
Aber wir waren ja absolut unfähig, Anja zu retten. Die unglückliche Ruth
wurde im Juli 1942 abgeholt und ist seither verschollen."
Mit Datum 11. Juli 1951
erhält Hans Schaul eine Mitteilung des Amtsgerichts Berlin-Mitte, Abteilung
58. Darin heißt es:
"In der
Todeserklärungssache Anja Schaul ist der Beschluß vom 29. Mai 1951
rechtskräftig geworden."
Der Vorgang bekommt das
Aktenzeichen: 58 II 5506/50.
Dirk Krüger promovierte
mit der Arbeit "Die deutsch-jüdische Kinder- und Jugendbuchautorin Ruth
Rewald und die Kinder- und Jugendliteratur im Exil". Er ist Mitglied im
geschäftsführenden Vorstand des "Studienkreises Deutscher Widerstand" in
Frankfurt am Main, und arbeitet zu Widerstand, insbesondere zum jüdischen
Widerstand gegen den Faschismus.
Dirk Krüger ist Herausgeber der Bücher:
Ruth Rewald: Vier spanische Jungen, Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1987, ISBN
3-87682-838-4
Ruth Rewald: Janko - Der Junge aus Mexiko, Arco Verlag Wuppertal 2007, ISBN
978-3-938375-19-8
hagalil.com
2007
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