Oktober 1943:
Die Rettung der dänischen Juden
Dänemark in den 30er Jahren
Ein kleines Land mit 4 Millionen Einwohnern
und einer Dänisch sprechenden, lutherischen Bevölkerung mit nur wenigen
kleinen ethnischen und religiösen Minderheiten. Im Laufe der Zeit hat
Dänemark viele Einwanderer aus Deutschland, Holland, Schweden und Polen
aufgenommen und schnell in die Gesellschaft integriert.
Die Außenpolitik war von friedlicher
Konfliktlösung geprägt und Friedfertigkeit und demokratische Tradition
bestimmten auch die innenpolitische Situation. Liberalismus mit einem
starken Einschlag von sozialer Solidarität - was man seitdem als das
"skandinavische Modell" bezeichnet - prägte die dänische Politik. Der
Lebensstandard gehörte damals wie heute zu den führenden in der Welt.
Der 9. April 1940
Deutschland griff Dänemark trotz des
Nichtangriffspakts an, der ein Jahr zuvor auf deutsche Initiative hin
eingegangen worden war. Dänemark war für eine militärische Verteidigung
nicht gerüstet und so mußte der Kampf schnell aufgegeben werden. Die
Regierung beschloß, ihre Tätigkeit fortzusetzen um Kampfhandlungen auf
dänischem Boden zu verhindern, den deutschen Einfluß einzuschränken und
einen Aufschwung der dänischen Nationalsozialisten zu verhindern. Dies war
möglich, da Deutschland garantiert hatte, 'als Freund' zu kommen und sich
nicht in unangebrachter Weise in die inner-dänischen Verhältnisse
einzumischen.
Kollaboration und Widerstand
Die dänischen Behörden bemühten sich um eine
enge Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht. Die Mehrheit der Bevölkerung
war englisch-freundlich gesinnt, sah aber, daß man sich in Europa auf eine
deutsche Vorherrschaft einrichten müsse. Bis 1943 blieb die Situation in
Dänemark friedlich.
In Berlin betrachtete man Dänemark als das
"Musterprotektorat" Deutschlands, während in London von "Hitlers
Kanarienvogel" die Rede war. Wichtig in dem Zusammenhang war auch, daß die
Dänen als "germanisch-nordisches" Volk par excellance betrachtet wurden. Auf
die Werbung der Nationalsozialisten fielen jedoch nur wenige Dänen herein.
Die NSDAP konnte nie einen größeren Zustrom als 2 - 3 % der Bevölkerung
verzeichnen. Nur die deutsche Minderheit im Grenzgebiet schloß sich massiv
dem Nationalsozialismus an.
Die Juden während der Besatzung
Die Besetzung durch die Deutschen setzte die
ca. 8.000 dänischen Juden, unter starken Druck. Natürlich war bekannt, ob
aus Zeitungen oder durch persönliche Verbindungen, was in Deutschland
bereits geschehen war. Die dänische Regierung erklärte, daß sie sich
Rassengesetzen und diskriminierenden Eingriffen entgegensetzen werde. Die
Synagogen, jüdische Schulen und andere Institute wurden unauffällig von
jungen Juden bewacht und mit der Alarmzentrale der dänischen Polizei
verbunden.
Stimmungsumschwung 1943
Stalingrad, El Alamein und die Landung der
alliierten Truppen in Italien, große Bombardements norddeutscher Städte -
viele dieser Ereignisse trugen dazu bei, daß die Stimmung in Dänemark von
Anpassung in Trotz umschlug. Illegale Flugblätter wurden verteilt, deutsche
Ziele und Betriebe, die für die Besatzungsmacht arbeiteten, wurden
sabotiert. Die Saboteure begannen Sprengstoff einzusetzen und nahmen
Verbindung mit England auf. Die Kollaboration von Behörden und
Organisationen wurde scharf attackiert und die Bevölkerung lehnte jede
weitere Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht ab. Die
Generalstreiksbewegung entstand. Am 29. August 1943 wird schließlich der
militärische Ausnahmezustand über ganz Dänemark verhängt. Der
SS-Gruppenführer Werner Best, von 1942 - 45 oberster Chef der
Besatzungsmacht, wird von Hitler wegen seiner Weichheit beschimpft und
beginnt daran zu arbeiten eine "Politik der harten Hand" gegenüber den Dänen
durchzusetzen.
Die Judenaktion in Dänemark
Seit 1941 ist der systematische Völkermord an
den Juden Europas voll im Gange. 3 Millionen Juden sind bereits bei den
Massakern und in den Gaskammern der Vernichtungslager umgekommen.
Jetzt scheint auch der Zeitpunkt der
"Endlösung" in Dänemark gekommen zu sein. Die dänische Regierung hat ihr Amt
niedergelegt, und die Dänen teilen mit, daß keine neue Regierung gebildet
wird. Die Zusammenarbeitspolitik ist zusammengebrochen. Am 15. September
1943 befürwortet Hitler die Deportation der dänischen Juden. Die
Vorbereitungen laufen sofort an. Deutsche Polizeieinheiten werden
aufgestellt und Spezialisten aus der Abteilung Adolf Eichmanns kommen nach
Kopenhagen.
Die Warnung
Am 28. September erfolgt eine
unmißverständliche Warnung. An diesem Tag nimmt SS Werner Best den
endgültigen Befehl aus Berlin entgegen. Über einen deutschen Diplomaten
erfahren die ehemaligen Regierungsmitglieder davon und geben die Warnung an
die jüdische Gemeinschaft weiter. Am nächsten Morgen wird die Warnung beim
Gottesdienst in der Synagoge weitergegeben.
In der Nacht vom 1. zum 2. Oktober wurde die
Aktion gestartet. Deutsche Polizei nahm Juden im gesamten Land fest. Die
meisten Juden waren aus ihren Heimen verschwunden, und so konnten nur wenige
hunderte verhaftet und nach Theresienstadt gebracht werden.
Die Menschenmauer
Breite Teile der dänischen Bevölkerung
empfanden, daß die Deutschen mit der Aktion gegen die Juden mit jeglicher
Anständigkeit gebrochen und den dänischen Gerechtigkeitssinn gekränkt
hatten. Verstecke mußten gefunden, Verpflegung und Transportmöglichkeiten
zur Küste organisiert werden. Ärzte, Pastoren und Studenten beteiligten sich
besonders aktiv an der Hilfsarbeit. Die dänische Polizei und der
Küstenschutz weigerten sich, bei der Menschenjagd zu helfen.
Überfahrt nach Schweden
Die geographische Lage war ein wichtiger
Faktor. Die Entfernung zwischen der dänischen Ostküste und Schweden beträgt
stellenweise nur wenige Kilometer. Anfangs flüchteten viele Kleinboote, ja
sogar Kanus. Dabei kam es zu tragischen Unfällen.
Die Fischer spielten eine zentrale Rolle bei
der Rettungsaktion. Sie schmuggelten Juden an den deutschen
Küstenpatrouillen vorbei, und riskierten damit ins Gefängnis oder
Konzentrationslager zu kommen. Siebentausend Menschen wurden im Laufe
weniger Tage in Fischkuttern und anderen Kleinbooten übergesetzt. Erfahrung
und Kontakte, die sich aus der Hilfsarbeit ergeben hatten, kamen der
Widerstandsbewegung zugute. Es soll allerdings nicht verschwiegen werden,
daß einige der Helfer sich für ihre Mitarbeit gut bezahlen ließen.
Deportierte aus Dänemark
am 2. Oktober aus Kopenhagen |
202
|
aus Jütland/Fünen |
82
|
am 13. Oktober und 23. November |
190
|
später |
7
|
Deportierte insgesamt |
481
|
Dänemark in den letzten Kriegsjahren
Nach der Aktion gegen die Juden wurde der
Ausnahmezustand aufgehoben, eine neue dänische Regierung kam jedoch nicht
zustande. Die Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht wurde auf ein Minimum
reduziert.
Am 5.Mai 1945 wurde die deutsche Kapitulation
zur Realität und eine Regierung, die zur Hälfte aus Freiheitskämpfern und
Politikern der alten Parteien bestand, wurde gebildet.
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2007
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