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Die
Massenpsychologie des Faschismus und der Judenhass der Nazis
Aus dem III. Kapitel (p. 115ff) der "Massenpsychologie
des Faschismus" von
Wilhem Reich
Die Rassetheorie
Wird die Familie durch Wirtschaftskrisen und Proletarisierung des
Mittelstandes erschüttert, so ist dadurch auch die ideologische
Verankerung des herrschenden Systems auf das stärkste gefährdet. In
Zeiten der Krise verstärkt deshalb das Kapital seine Propaganda für
Sittlichkeit und Festigung der Ehe und Familie...
3. RASSEREINHEIT, BLUTSVERGIFTUNG UND MYSTIZISMUS
Man stelle sich vor, ein Geschichtsschreiber des vierten Jahrtausends
würde die sexuellen Feste der Bourgeoisie des zwanzigsten Jahrhunderts
als hemmungslose "Mischung der Deutschen mit den Negern und Juden aller
Stämme und Varietäten" darstellen!
Wir erkennen hier klar die ideologische Rolle der Vorstellung von der
Rassenmischung. Sie ist die Spiegelung der Abwehr des Dionysischen, die
selbst in den wirtschaftlichen Interessen der patriarchalischen
Gesellschaft an der Ehe wurzelt. Daher tritt auch in der Geschichte des
Jason die Ehe als Bollwerk gegen das Hetärentum auf.
Hetären sind Frauen, die sich dem Joch der Ehe nicht mehr beugen wollen
und ihren Anspruch auf ein selbstbestimmtes Geschlechtsleben geltend
machen. Dieser Anspruch gerät aber in Widerspruch zur früher in der
Kindheit genossenen Erziehung zur Ehe, die den psychischen Apparat
sexuell erlebnisunfähig machte, daher stürzt sich die Hetäre in
Abenteuer, um ihrer emporgetriebenen Homosexualität zu entgehen, oder
sie lebt gestört und zerrissen beiden Richtungen zugleich. Das
Hetärentum wird ergänzt durch die Homosexualität der Männer, die infolge
des ihnen aufgezwungenen Ehelebens zur Hetäre und zum Wollustknaben
flüchten und dort ihre sexuelle Erlebnisfähigkeit zu restaurieren
versuchen. Die sexuelle Struktur der Faschisten, die das straffste
Patriarchat bejahen und aus ihrer Ideologie und familiären Lebensweise
das Sexualleben des platonischen Zeitalters tatsächlich reaktivieren, d.
h. "Reinheit" in der Ideologie; Zerrissenheit und Krankhaftigkeit im
realen Sexualleben, muss begreiflicherweise an die sexuellen Zustände
des platonischen Zeitalters anklingen. Rosenberg und Blüher erkennen den
Staat nur als Männerstaat auf homosexueller Basis an. Sehr merkwürdig
ist, wie sich aus dieser Ideologie die Anschauung von dem Unwert der
Demokratie herausbildet. Pythagoras wird verneint, weil er als Prophet
der Gleichheit Aller, als "Verkünder des demokratischen Tellurismus, der
Gemeinschaft der Güter und der Weiber" auftrat. Die innige Verbindung
der Vorstellung der Gemeinschaft der "Güter und der Weiber" spielt im
antibolschewistischen Kampf eine zentrale Rolle. Die Demokratisierung
der römischen Patrizierherrschaft, die bis zum 5. Jahrhundert aus 300
Adelsfamilien 300 Senatoren stellte, wird darauf zurückgeführt, dass vom
5. Jahrhundert an Mischehen zwischen Patriziern und Plebejern gestattet
waren, was einen "rassischen Niedergang" bedeutete. So wird auch die
Demokratisierung eines politischen Systems, die durch Mischehen zustande
kommt, als Erscheinung des Niedergangs der Rasse gedeutet. An dieser
Stelle enthüllt sich der politisch reaktionäre Charakter der
Rassetheorie restlos. Denn nunmehr bedeutet der Geschlechtsverkehr
zwischen Griechen oder Römern verschiedener Klassen verderbliche
Rassenmischung. Angehörige der unterdrückten Klasse werden mit
Fremdrassigen auf eine Stufe gestellt.
An anderer Stelle spricht Rosenberg vom Proletariat und seiner Bewegung
als dem "aufsteigenden Asphaltmenschentum der Weltstädte mit allen
Abfallsprodukten des Asiatentums" (Mythos, S. 66). Hinter der Idee der
Mischung mit fremden Rassen steckt also die Idee des Geschlechtsverkehrs
mit Angehörigen der unterdrückten Klasse, und dahinter wieder wirkt die
Tendenz der Bourgeoisie zur klassenmäßigen Abgrenzung, die rein
wirtschaftlich zwar scharf, sexualmoralisch aber durch die
Sexualeinschänkung für die bürgerlichen Frauen vollends verwischt ist.
Sexuelle Vermischung der herrschenden mit der beherrschten Klasse
bedeutet aber gleichzeitig eine Erschütterung der zentralen
ideologischen Stützen der Klassenherrschaft, in der Wirklichkeit die
Möglichkeit einer "Demokratisierung", das heißt ideologischer, sexueller
Proletarisierung der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Jugend. Denn das
Proletariat jeder gesellschaftlichen Ordnung produziert aus seiner
Klassenlage heraus sexuelle Vorstellungen und Lebensweisen, die den
Klasseninteressen der Bourgeoisie jeder Ordnung durchaus tödlich
gefährlich sind.
Wenn hinter der Idee der Rassemischung letzten Endes die Idee der
Mischung von Angehörigen der herrschenden mit Angehörigen der
beherrschten Klassen wirkt, so haben wir hier offenbar den Schlüssel zur
Frage, welche Rolle die Sexualunterdrückung in der Klassengesellschaft
spielt. Hier können wir mehrere Funktionen unterscheiden und dürfen auf
keinen Fall eine mechanische Zuordnung der Sexualunterdrückung analog
der materiellen Ausbeutung zur unterdrückten Klasse annehmen. Die
Beziehungen der Sexualunterdrückung zur Klassengesellschaft sind viel
komplizierter.
Wir wollen hier nur zwei dieser Funktionen herausheben:
- Da die Sexualunterdrückung ursprünglich von den wirtschaftlichen
Interessen des Erbrechts und der Heirat ausgeht, beginnt sie
innerhalb der herrschenden Klasse selbst. Die Keuschheits- und
Treuemoral gilt am schärfsten zunächst für die weiblichen
Angehörigen der herrschenden Klasse. Dadurch soll die Erhaltung des
gleichen Besitzes gesichert werden, der durch die Ausbeutung der
unteren Klassen erworben wurde.
- Im Frühkapitalismus und in den großen asiatischen Kulturen
feudalen Charakters ist die herrschende Klasse an einer moralischen
Unterdrückung der beherrschten Schichten noch nicht interessiert.
Mit dem Beginn der organisierten Arbeiterbewegung, der Erkämpfung
sozialpolitischer Errungenschaften und der mit ihr einhergehenden
kulturellen Hebung der breiten Volksmassen setzt zugleich ihre
sexualmoralische Verbürgerlichung ein. Erst jetzt beginnt die
herrschende Klasse, ein Interesse an der "Sittlichkeit" der
Unterdrückten zu bekommen. Mit dem Aufstieg der organisierten
Arbeiterschaft setzt also gleichzeitig ein gegenteiliger Prozess
ein, der in ideologischer Angleichung des Proletariats an die
Bourgeoisie besteht.
Dabei gehen aber die der eigenen Klassenlage entsprechenden sexuellen
Lebensformen nicht unter; sie bleiben neben den nunmehr sich immer mehr
verankernden Ideologien der herrschenden Klasse bestehen und bilden den
schon früher beschriebenen, für das Proletariat spezifischen Widerspruch
zwischen bürgerlicher und proletarischer Struktur.
Historisch fällt die Herausbildung dieses massenpsychologischen
Widerspruchs zusammen mit der Ablösung des feudalen Absolutismus durch
die bürgerliche Demokratie. Die Ausbeutung hat zwar nur ihre Formen
verändert, aber diese Veränderung der Ausbeutungsform bringt
gleichzeitig eine ideologische Veränderung des Proletariats mit sich.
Das ist der Tatbestand, den Rosenberg mystisch betrachtet, wenn er
schreibt, dass der uralte Erdgott Poseidon von Athene, der Göttin der
Asexualität, zurückgedrängt unter ihrem Tempel im Boden in
Schlangengestalt herrscht, ebenso wie der "pelasgische Pythondrache" in
Delphi unter dem Tempel Apollos.
"Nicht überall aber tötete der nordische Theseus die Untiere
Vorderasiens; bei der ersten Erschlaffung des arischen Blutes entstanden
immer wieder von neuem die fremden Ungeheuer, das heißt
vorderasiatisches Mischlingstum und physische Robustheit der ostischen
Menschen."
Aus dem Bisherigen allein geht schon klar hervor, was unter "physischer
Robustheit" gemeint ist: jenes Stück sexueller Naturwüchsigkeit, das den
Angehörigen der ausgebeuteten Klasse von dem der herrschenden
unterscheidet und im Laufe der "Demokratisierung" allmählich zersetzt
wird, ohne sich je ganz zu verlieren. Psychologisch bedeutet die
Schlange Poseidon und der Pythondrache die als Phallus symbolisierte
genitale Sinnlichkeit. Sie ist niedergedrückt, unterirdisch geworden in
der sozialen Struktur der Gesellschaft und ihrer Menschen, aber sie ist
nicht vernichtet. Die feudale Oberschichte, die ein unmittelbar
wirtschaftliches Interesse an der Verleugnung der phallischen
Sinnlichkeit hat, sieht sich umso mehr durch die naturnäheren sexuellen
Lebensformen der unterdrückten Schichte gefährdet, als es ja selbst
diese Sinnlichkeit nicht nur nicht überwunden, sondern im Gegenteil im
eigenen Kreise in verzerrter und perverser Form wieder auftreten sieht.
Die sexuellen Sitten des Proletariats bedeuten somit nicht nur eine
psychologische, sondern auch eine soziale Gefahr für die herrschende
Klasse, die sich vor allem in ihrer Familieninstitution bedroht sieht.
Solange das Bürgertum ökonomisch stark ist, sich in der aufsteigenden
Linie befindet wie etwa das Bürgertum Englands um die Mitte des 19.
Jahrhunderts, vermag es auch die sexualmoralische Abgrenzung vom
Proletariat zur Gänze aufrecht zu erhalten. In Zeiten der Erschütterung
seiner Herrschaft, besonders aber in ausgesprochenen Krisen wie etwa
seit Beginn des 20. Jahrhunderts in Mittel-Europa und England lockern
sich die moralischen Fesseln der Sexualität innerhalb des Bürgertums
selbst. Die sexualmoralische Zersetzung beginnt mit der Liquidierung der
familiären Bindungen in der Grossbourgeoisie, während zunächst das
mittlere und kleinere Bürgertum in voller Identifikation mit dem
Grossbürger und seiner Moral der eigentliche Träger der offiziell noch
immer von der Grossbourgeoisie vertretenen sexuellen Moral wird. Das
Geschlechtsleben des Proletariats muss gerade dann der Grossbourgeoisie
als besondere Gefahr für den Bestand seiner sexuellen Institutionen
erscheinen, wenn die wirtschaftliche Proletarisierung des
Kleinbürgertums beginnt. Da es sich zentral auf die Kleinbourgeoisie
stützt, liegt ihm besonders viel an deren Sittlichkeit und Reinhaltung
von den "Einflüssen des Untermenschentums". Verlöre nämlich das
Kleinbürgertum seine ideologische sexualmoralische Haltung im gleichen
Masse wie seine wirtschaftliche Zwischenstellung zwischen Proletariat
und Grossbourgeoisie, so gäbe es für das Kapital kaum eine ernstere
Bedrohung. Denn auch im Kleinbürgertum lauert der "pythische Drache",
jederzeit bereit, die ihm auferlegten Fesseln und damit auch die
ideologische Panzerung durch die politische Reaktion zu sprengen. Daher
verstärkt das Kapital immer in Zeiten der Krise seine Propaganda für
Sittlichkeit und Festigung der Ehe und Familie. Bildet doch die Familie
die Brücke von der elenden ökonomischen Lage der Kleinbourgeoisie zur
reaktionären Ideologie.
Wird die Familie durch Wirtschaftskrisen und Proletarisierung des
Mittelstandes erschüttert, so ist dadurch auch die ideologische
Verankerung des herrschenden Systems auf das stärkste gefährdet. Mit
dieser Frage werden wir uns noch eingehend befassen müssen. Wir müssen
also dem Münchener nationalsozialistischen Biologen und Rassenforscher
Leng Glauben schenken, wenn er auf einer Tagung der
nationalsozialistischen Gesellschaft "Deutscher Staat" 1932 behauptete,
die Familie sei Kernpunkt der Kulturpolitik. Wir dürfen hinzufügen, der
reaktionären ebensowohl wie der revolutionären, denn diese
Feststellungen haben weittragende politische Konsequenzen.
BESTELLEN?
Eine Kritik des Faschismus lässt sich ohne Wilhelm Reichs
Massenpsychologie des Faschismus nicht mehr denken.
Als erster durchschaute Reich mit seinem klinisch und soziologisch
geschulten Blick den fundamentalen Zusammenhang zwischen autoritärer
Triebunterdrückung und faschistischer Ideologie.
Er analysiert in der Massenpsychologie die Gestik, Phraseologie, die
moralischen Schemata und Aktionen der Hitlerei und weist in ihnen die
Verschiebung von Sexualangst zu einem Mystizismus nach, der zu einem
irrationalen Mechanismus chronischer Abhängigkeit führt.
Thema:
ANTISEMITISMUS
Judenhass:
Die Massenpsychologie des Faschismus
Die theoretische Achse des deutschen Faschismus ist seine Rassetheorie.
Alle anderen Programme sind nur Mittel zum Zweck. Die "Höherzüchtung der
germanischen Rasse" und die "Reinhaltung der Rasse und des Blutes" sind
nach der NS-Ideologie vornehmste Aufgabe einer Nation, zu deren
Erfüllung man jedes Opfer bringen müsse. Diese Theorie wurde im
deutschen Faschismus in Form der Judenverfolgung mit allen Mitteln in
die Praxis umgesetzt...
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haGalil.com 11. November 2007 |
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