Die
Massenpsychologie des Faschismus und der Judenhass der Nazis
Aus dem III. Kapitel (p. 115ff) der "Massenpsychologie
des Faschismus" von
Wilhem Reich
Die Rassetheorie
Leugnet die Religion das sexualökonomische Prinzip überhaupt,
verurteilt sie das Sexuelle als eine internationale Erscheinung des
Menschentums, von dem nur das Jenseits erlösen könne, so verlegt der
nationalistische Faschismus das Sexuellsinnliche in die "fremde Rasse",
sie so gleichzeitig erniedrigend.
3. RASSEREINHEIT, BLUTSVERGIFTUNG UND MYSTIZISMUS
Hatte die Kirche noch lange über die Zeit hinaus, da
sie die wissenschaftliche Forschung in Händen hatte, die These von der
sittlichen Natur des Menschen, seinem monogamen Wesen u. s. f. fest
verankert, so drohten Bachofens Funde alles über den Haufen rennen. Die
sexuelle Organisation des Mutterrechts verblüffte nicht wegen der so
völlig verschiedenen Blutsverwandtschaftsorganisation, sondern wegen der
mit ihr verbundenen Freiheit des Geschlechtslebens, dessen eigentliche
Grundlage, den Mangel des Privateigentums an Produktionsmitteln, erst
Morgan und nach ihm Engels erkannten.
Rosenberg als der Ideologe des Faschismus muss konsequent die Herkunft
der altgriechischen Kultur aus — nachgewiesenen — mutterrechtlichen
Vorstufen leugnen und statt dessen zur Annahme greifen, dass "die
Griechen hierin (im Dionysischen) physisch und geistig fremdes Wesen
annahmen".
Die faschistische Ideologie trennt (wie wir später hören werden, im
Gegensatz zur christlichen Ideologie) die erotisch-sinnlichen
Bedürfnisse von den abwehrenden moralischen Gefühlen der im Patriarchat
erzeugten menschlichen Strukturen ab und ordnet sie jeweils
verschiedenen Rassen zu: Nordisch wird gleichbedeutend mit licht, hehr,
himmelhaft, rein, dagegen "vorderasiatisch" gleich triebhaft, dämonisch,
geschlechtlich, extatisch. Daraus erklärt sich dann die Ablehnung der
"romantisch-intuitiven" Forschung etwa Bachofens als der Theorie des nur
"angeblich" altgriechischen Lebens. In der faschistischen Ideologie und
Rassetheorie erscheint als deren Zentrum die eine Seite des
patriarchalischen "wirklichen Individuums", die patriarchalisch bedingte
Reaktion auf die tieferströmende und die Ideologie unterbauende
"mutterrechtliche Idee", verabsolutiert, verewigt, als "reine" Linie der
anderen gegenübergestellt.
Das Griechische, Russische wird derart zur Emanation des Reinen,
Asexuellen; das Fremdrassige dagegen, das "Etruskische" ist das
"Tierische" und daher niedriger.
Aus diesem Grunde muss dass Patriarchat an den Ursprung der menschlichen
Geschichte des Ariertums gestellt werden:
"Auf dem Boden Griechenlands wurde weltgeschichtlich entscheidend der
erste große Entscheidungskampf zwischen den rassischen Werten zu Gunsten
des nordischen Wesens ausgetragen. Vom Tage, vom Leben trat nunmehr der
Mensch ans Leben heran, aus den Gesetzen des Lichts und des Himmels, vom
Geist und Wesen des Vaters aus entstand alles, was wir griechische
Kultur als jenes größte Erbe des Altertums für unser Selbst nennen."
(Rosenberg)
Die patriarchalische Geschlechtsordnung, aus dem umwälzenden Prozesses
des Spätmatriarchats hervorgegangen (ökonomische Verselbständigung der
Familie des Häuptlings gegenüber der mütterlichen Gens, anwachsender
Tauschverkehr zwischen den Stämmen, Entwicklung der Produktionsmittel
etc.), wird zur Urgrundlage der patriarchalischen Ideologie, indem sie
den Frauen, Kindern und Jugendlichen die geschlechtliche Freiheit raubt,
die Sexualität in eine Ware verwandelt, richtiger die sexuellen
Interessen in den Dienst der wirtschaftlichen stellt. Die
Geschlechtlichkeit verzerrt sich nunmehr im Sinne des Teuflischen,
Dämonischen, das zu bändigen ist. Im Lichte der patriarchalischen
Forderungen erscheint die keusche Sinnlichkeit des Matriarchats als
wollüstige Entfesselung finsterer Mächte, das Dionysische wird zum
sündigen Begehren, das die patriarchalische Kultur nicht anders als
chaotisch und schmutzig denken kann. Mit dem Eindruck der verzerrten,
lüstern gewordenen menschlichen Sexualstrukturen in sich und vor sich,
wird der patriarchalische Mensch zum ersten Male in die Fesseln einer
Ideologie gelegt, für die sexuell und unrein, sexuell und niedrig oder
dämonisch untrennbare Vorstellungen werden.
Diese Wertung bekommt aber auch sekundär eine rationale Berechtigung.
Mit der Einführung der Keuschheit werden die Frauen unter dem Drucke
ihrer sexuellen Ansprüche unkeusch, an die Stelle der natürlichen,
zarten Sinnlichkeit tritt die sexuelle Brutalität der Männer und
dementsprechend auch die Auffassung bei den Frauen, dass der
Geschlechtsakt für sie etwas entehrendes bedeute. Der außereheliche
Geschlechtsverkehr wird zwar nirgends aus der Welt geschafft, aber mit
der Veränderung der Wertung und der Abstellung der Institutionen, die
ihn zuvor im Matriarchat befürsorgten, gerät er in Widerspruch zur
offiziellen Moral und solcherweise auf die Hintertreppe. Es verändert
sich aber auch mit seiner Stellung in der Gesellschaft die innere
Erlebnisweise im Geschlechtlichen. Der Widerspruch, der nunmehr
geschaffen ist, stört die Befriedigungsfähigkeit der Individuen, das
sexuelle Schuldgefühl zersplittert den natürlichen Ablauf der sexuellen
Akte und schafft sexuelle Stauungen, die sich auf verschiedene Art und
Weise Luft machen. Neurosen, Geschlechtsverirrungen und dissoziales
sexuelles Verhalten treten nunmehr als soziale Dauererscheinungen auf.
Die kindliche und jugendliche Sexualität, die im Matriarchat positiv
gewertet wurde, verfällt systematischer, nur in den Formen je nach der
Stufe des Patriarchats verschiedener Unterdrückung.
Diese derart verzerrte, gestörte, brutalisierte und erniedrigte
Sexualität stützt nun ihrerseits die gleiche Ideologie, der sie ihr
Entstehen verdankt. Die verneinenden Wertungen der Sexualität können
sich jetzt mit Recht darauf berufen, dass die Sexualität etwas
Unmenschliches und Tierisches ist; dabei ist nur vergessen, dass diese
unmenschliche und tierische Sexualität nicht die Sexualität "an sich",
sondern eben die Sexualität des Patriarchats ist. Und die
Sexualwissenschaft des späten Patriarchats im Kapitalismus ist dieser
Wertung nicht minder unterworfen als die vulgären Anschauungen, was sie
zur völligen Fruchtlosigkeit verurteilt.
Wir werden später hören, auf welchem Wege die Religion zur organisierten
Konzentration dieser Wertungen und Ideologien wird. Hier ist nur
festzuhalten: Leugnet die Religion das sexualökonomische Prinzip
überhaupt, verurteilt sie das Sexuelle als eine internationale
Erscheinungen des Menschentums, von dem nur das Jenseits erlösen könne,
so verlegt der nationalistische Faschismus das Sexuellsinnliche In die
"fremde Rasse", sie so gleichzeitig erniedrigend.
Die Herabwertung der "fremden Rasse", selbst aus allgemeinen Gesetzen
jeder patriarchalischen Organisation entstanden, klingt nunmehr
organisch zusammen mit den imperialistischen Tendenzen der herrschenden
Klasse im Spätpatriarchat, Tendenzen, die besonderen und unmittelbar
wirkenden ökonomischen Widersprüchen entstammen.
So wie in der christlichen Mythologie Gott nie ohne seinen Widerpart,
den Teufel als dem "Gott der Unterwelt" erscheint und der Sieg des
himmlischen über den unterirdischen Gott zum Sinnbild menschlicher
Erhebung wird, so spiegelt sich im Göttermythus des Griechentums der
Kampf zwischen den sinnlichen und den Keuschheit fordernden Strebungen
wieder. Für den abstrakten Ethiker und den die Tatbestände
mystifizierenden Philosophen erscheint dieser Kampf als Ringen zweier
"Wesenheiten" oder "menschlichen Ideen", von denen die eine von
vorneherein als niedrig, die andere von vorneherein als "eigentlich
menschlich" öder "übermenschlich" gewertet wird. Führt man aber sowohl
diesen "Kampf der Wesenheiten" als auch die herangetragenen Wertungen
auf ihre materielle Ursprungsquelle zurück, reiht man sie an richtiger
Stelle in das soziologische Gefüge ein, wobei der Sexualität als
geschichtlichem Faktor der gebührende Platz eingeräumt wird, so ergibt
sich folgender Tatbestand. Jeder Volksstamm, der sich aus der
matriarchalischen in die patriarchalische Organisation entwickelt, muss,
um die den privateigentümlichen Grundgesetzen entsprechenden
Lebensformen im Sexuellen zu finden, die sexuelle Struktur seiner
Mitglieder verändern. Dies ist deshalb dringend notwendig, weil sich die
wirtschaftlichen Veränderungen, die Verschiebungen der Macht und des
Reichtums aus der Gens in die Familie des Häuptlings und die
Herausbildung der Klassen vorwiegend mit Hilfe der Unterdrückung der
sexuellen Strebungen der Menschen dieser Epoche vollziehen.
Die Eheschließung und das dabei gültige Heiratsgut wird zum Knotenpunkt
der Verwandlung der einen Organisation in die andere.*1)
*1) Der Nachweis hierfür wurde erbracht in: "Der
Einbruch der Sexualmoral". (Verl. f. Sex. Pol. 1932)
Im gleichen Masse, in dem das Heiratsgut der Gens
der Frau an die Familie des Mannes die Machtstellung der Männer und im
besonderen die des Häuptlings fördert, wirkt das materielle Interesse
der Männer der ranghöheren Gentes und Familien in der Richtung der
Festigung der ehelichen Bindungen, denn in diesem Stadium ist nur der
Mann an der Ehe interessiert, nicht aber die Frau. Dadurch verwandelt
sich aber die einfache, jederzeit trennbare Paarungsehe in die monogame
Ehe des Patriarchats. Die monogame Ehe wird zur patriarchalischen
Kerninstitution, was sie heute noch ist. Zur Sicherung der Ehen bedarf
es aber einer immer weiter fortschreitenden Einengung und Entwertung der
natürlichen sinnlich - genitalen Strebungen. Das betrifft nicht nur die
immer mehr in Ausbeutung geratende "untere" Klasse, sondern auch gerade
die Schichten, die bis dahin keine Widersprüche zwischen Moral und
Sexualität kannten, müssen nun einen solchen immer konfliktreicher in
sich verspüren. Wirkt doch die Moral nicht nur von außen her, sondern
ihre eigentliche Wirksamkeit entfaltet sie erst dann, wenn sie
verinnerlicht wurde, zur eigenen sexuellen Hemmung geworden ist. In
verschiedenen Stadien dieses Prozesses werden jeweils verschiedene
Seiten des Widerspruches dominieren. Im Anfangsstadium wird das sexuelle
Bedürfnis, später die moralische Hemmung Oberhand gewinnen, sicher aber
wird bei politischen Erschütterungen der gesamten gesellschaftlichen
Organisation der Konflikt zwischen Sexualität und Moral an die
Oberfläche und auf die Spitze getrieben werden, was dem einen als
moralischer Untergang, dem anderen als sexuelle Befreiung oder "sexuelle
Revolution" erscheinen wird, ohne es in Wirklichkeit noch zu sein.
Jedenfalls ist der ideologische Gehalt der Vorstellung vom "Niedergang
der Kultur" die Vorstellung des Durchbruchs der natürlichen sinnlichen
Strebungen, als "Niedergang" nur deshalb empfunden, weil die eigene
moralische Haltung dadurch bedroht ist. Objektiv geht nur das System der
gesellschaftlichen Organisation unter, das im Interesse der Ehe und
Familie die moralischen Instanzen in den Individuen aufrechterhielt und
nährte. Bei den alten Griechen, deren geschriebene Geschichte ja erst
mit dem vollentfalteten Patriarchat beginnt, finden wir in der sexuellen
Organisation: Männerherrschaft, Hetärentum für die oberen, Prostitution
für die mittleren und unteren Schichten, und daneben versklavte, ein
elendes Leben führende, nur als Gebärmaschinen figurierende Ehefrauen.
Die Männerherrschaft des platonischen Zeitalters ist durchaus
homosexuell.*2)
2) Das gleiche Prinzip beherrscht unbewusst die faschistische Ideologie
der männlichen Führerschichten.
Die Widersprüche der sexuellen Ökonomie des späten
Griechenland kamen zum Vorschein, als das griechische Staatswesen sich
politisch und wirtschaftlich im Niedergang befand. Für den Faschisten
Rosenberg erscheint im dionysischen Zeitalter das "chtonische" mit dem
"apollinischen" vermischt, um unterzugehen. Der Phallus, schreibt
Rosenberg, wird zum Symbol der spätgriechischen Weltauffassung. Für den
Faschisten kehrt also das Sexuelle wieder als Niedergangserscheinung,
als Lüsternheit, Geilheit und sexueller Schmutz der Niedergangsepoche.
Dies entspricht aber nicht nur der Phantasie des faschistischen
Betrachters, sondern auch der realen Situation des brennenden
Widerspruchs in der Erlebnisweise der Menschen dieser Epoche. Die
dionysischen Feste entsprechen den verschiedenen Redouten und
Maskenbällen unserer Bourgeoisie. Man muss nur genau wissen, was sich
auf solchen Festen begibt, um nicht dem Fehler zu verfallen, der ganz
allgemein begangen wird, in diesem "dionysischen" Tun den Gipfel
sexuellen Erlebens zu erblicken. Nirgends enthüllen sich die im Rahmen
dieser Gesellschaft unlösbaren Widersprüche zwischen gelockertem
sexuellen Begehren und moralisch zersetzter Erlebnisfähigkeit
gründlicher als auf solchen Festen.
"Dionysos' Gesetz, der endlosen Geschlechtsbefriedigung bedeutet
die hemmungslose Rassenmischung zwischen Helenen und Vorderasiaten aller
Stämme und Varietäten"
(Mythos, S, 52).
BESTELLEN?
Eine Kritik des Faschismus lässt sich ohne Wilhelm Reichs
Massenpsychologie des Faschismus nicht mehr denken.
Als erster durchschaute Reich mit seinem klinisch und soziologisch
geschulten Blick den fundamentalen Zusammenhang zwischen autoritärer
Triebunterdrückung und faschistischer Ideologie.
Er analysiert in der Massenpsychologie die Gestik, Phraseologie, die
moralischen Schemata und Aktionen der Hitlerei und weist in ihnen die
Verschiebung von Sexualangst zu einem Mystizismus nach, der zu einem
irrationalen Mechanismus chronischer Abhängigkeit führt.
Thema:
ANTISEMITISMUS
Judenhass:
Die Massenpsychologie des Faschismus
Die theoretische Achse des deutschen Faschismus ist seine Rassetheorie.
Alle anderen Programme sind nur Mittel zum Zweck. Die "Höherzüchtung der
germanischen Rasse" und die "Reinhaltung der Rasse und des Blutes" sind
nach der NS-Ideologie vornehmste Aufgabe einer Nation, zu deren
Erfüllung man jedes Opfer bringen müsse. Diese Theorie wurde im
deutschen Faschismus in Form der Judenverfolgung mit allen Mitteln in
die Praxis umgesetzt...
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