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Greta Klingsberg erinnert sich:
Mit Brundibár gegen die Vergessenheit

Aus Anlass der antisemitischen Novemberpogrome von 1938 und in Erinnerung an den 60. Jahrestag der Befreiung des Ghettos Theresienstadt im Mai 1945 wurde an vier Abenden rund um den 9. November im Kleinen Saal des Berliner Konzerthauses die Kinderoper Brundibár aufgeführt.

Vor allem Schulklassen waren gekommen, um sich die Aufführungen, des vom tschechischen Komponisten Hans Krása geschaffen Werkes anzuschauen. Extra aus Jerusalem nach Berlin angereist war die 1929 in Wien geborene Greta Klingsberg, die 1943 und 1944 mehr als 50 Mal die Aninka in dem Stück verkörperte.

Bevor aus Greta Klingsberg Aninka wurde, wirkte sie im Ghetto Theresienstadt in "Die verkaufte Braut", "Figaros Hochzeit" und der "Zauberflöte" mit. Geprobt wurde meistens heimlich in einem Keller der Theresienstädter Festung. Karel Berman, ein sehr berühmter Opernsänger, erklärte den Kindern die Oper und spielte sie auf einem alten Harmonium vor, denn Begleitinstrumente standen nicht zur Verfügung.

Erst später, nach ihrer Befreiung und nachdem sie erwachsener geworden war, wurden Greta Klingsberg die Dimensionen des Grauen immer klarer. Im Ghetto hingegen lebten die Kinder in ihrer Fantasiewelt. Viele von ihnen wohnten, obwohl ihre Eltern ebenfalls im Lager interniert waren, im Kinderheim der jüdischen Selbstverwaltung. Dort konnten sie, als Gleiche unter Gleichen, wenigstens stundenweise Pseudonormalität erleben. Dabei half auch Brundibár den Kindern.

Die Handlung der Oper ist eine typische Geschichte über Gut und Böse, Stark und Schwach. Am Anfang stehen die Geschwister Aninka und Pepicek, die ihrer kranken Mutter helfen wollen, dem Leierkastenmann Brundibár gegenüber. Während Brundibár ein um das andere Geldstück von den Vorüberziehenden sammelt, bleibt der Hut von Pepicek leer. Dem Geschwisterpaar gelingt es einfach nicht, gegen den Lärm des Leierkastens anzusingen. Hinzu kommt, dass Brundibár keine lästige Konkurrenz duldet und die beiden Kinder davonjagt. Erst nachdem ein Hund, eine Katze, ein Spatz und schließlich auch noch viele andere Kinder sich mit Aninka und Pepicek solidarisieren, gelingt es allen gemeinsam, Brundibár zu besiegen und ihn zu vertreiben.

Für die Ghettobewohner beinhaltete diese Oper eine eindeutige Botschaft: Gemeinsam sind wir stark. Und weil die Melodie harmonisch und einfach zu lernen war, wurde Brundibár an allen Ecken gesungen und gepfiffen. Kaum eines der in Theresienstadt eingesperrten Kinder hat Brundibár nicht gehört. Wegen der unwahrscheinlichen Popularität wurde Brundibár, neben den offiziellen Aufführungen, unzählige Male heimlich in Hinterhöfen, auf Gängen und Dachböden dargeboten.

Der Komponist Hans Krásá (1899-1944) studierte bei Alexander Zemlinsky Komposition an der Deutschen Akademie für Musik und darstellenden Kunst in Prag. In seinen 24 aktiven Kompositionsjahren schuf er zahlreiche Symphonien, Opern, Lieder und andere Stücke. Als Beitrag für einen Wettbewerb entstand 1938 die Kinderoper Brundibár.

Am 10. August 1942 wurde Hans Krása ins Ghetto nach Theresienstadt (Terezin) verschleppt. Dort musste er miterleben wie die Nazis seine Oper für ihre Zwecke missbrauchten. Im Propagandafilm "Theresienstadt - Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" wird auch ein Ausschnitt einer Opernaufführung gezeigt. Die letzte offizielle Aufführung von Brundibár im Ghetto Theresienstadt fand vor einer Delegation des Internationalen Roten Kreuzes statt, mit der die Nazis die Weltöffentlichkeit täuschten. Nach dem Besuch des IRK wurde Hans Krásá im Oktober 1944 zusammen mit anderen Opernmitglieder in einen Eisenbahnwaggon mit Ziel Auschwitz verladen, wo er und die meisten anderen ermordet wurden.

Greta Klingsberg ist eine der wenigen noch lebenden Zeitzeuginnen. Heute, in ihrem betagten Alter, nimmt sie gerne die Strapazen einer weiten Reise auf sich, um Kindern ihre Erfahrungen aus der Vergangenheit weiterzugeben.

Eines der Gespräche, die im Anschluss der Berliner Aufführungen zwischen Greta Klingsberg, Gideon Joffe (Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin) und dem zumeist jungen Publikum geführt wurden, stehen hier als mp3 zur Verfügung.

Zum Gespräch mit Greta Klingsberg bitte hier klicken (mp3)

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hagalil.com 05-12-2005